Der in Deutschland geborene Mohammed war zum Zeitpunkt des Interviews 19 Jahre alt. Er kommt aus einer Familie, in der es seit mehreren Generationen Imame gibt. Er selbst ist ein Hafiz, d.h. er hat als Kind den Koran auswendig gelernt und ist auch in der Kunst der Rezitation geübt. Deswegen wird ihm von seiner Moscheegemeinde, für die er sich in vielfacher Hinsicht stark engagiert, sehr viel Respekt entgegen gebracht. Neben der Schule unterrichtet er dort islamische Unterweisung für Kinder und Jugendliche und spricht regelmäßig das eine Freitagsgebet im Monat, das auf Deutsch gehalten wird, außerdem nimmt er an Korankursen in Form von Wochenendfortbildungen teil und qualifiziert sich damit fortlaufend. Das Preisgeld für den ersten Platz in einem internationalen hafiz-Wettbewerb ermöglichte es ihm, die Pilgerfahrt nach Mekka zu unternehmen und seine Hochzeit zu finanzieren.
Interviewerin: Mohammed, Was bedeutet es für Dich, Muslim zu sein?
Mohammed: Muslim heißt, wie in jedem Glauben, Glauben an einen Gott, Muslim zu sein, an Gottes Vorschriften sich zu halten, an den Koran zu glauben, an die 5 Säulen des Islam, das ist für mich ein Muslim zu sein.
Interviewerin: Wo würdest Du Dich verorten im Spektrum des Islam?
Mohammed: Ich bin Sunnit.
Interviewerin: Du bist Sunnit. Und wenn Du jetzt noch einmal schaust, das habt Ihr ja mit dem Judentum zum Beispiel auch schon ausführlich besprochen, liberal, orthodox, streng gläubig, traditionell, wo würdest Du Dich da einordnen?
Mohammed: Streng gläubig.
Interviewerin: Was heißt es für Dich, religiös zu sein?
Mohammed: Religiös heißt z.B. die Vorschriften Gottes nachzufolgen, also das tun, was Gott dem Menschen befiehlt, z.B. 5x am Tag beten, und Fasten im Monat Ramadan, Almosen geben, die Pilgerfahrt machen nach Mekka und halt was der Prophet zu uns sagt, was er von uns will, was er für Befehle von uns gibt, z.B. er sagt, schneidet euren Schnurrbart und lasst euren Bart wachsen. Das ist für mich religiös sein.
Interviewerin: Gibt es für Dich einen Unterschied zwischen religiös sein und zwischen musli-misch sein?
Mohammed: Es gibt schon einen Unterschied, es gibt manche Menschen die sind mit Worten Muslimen, und die trinken z.B. dann Alkohol, die gehen zu Diskos, machen z.B. ohne Ehe Geschlechtsverkehr, und dann gibt's noch einen Muslim, der sich an Gottes Gesetz hält, z.B. sagt Gott, ihr dürft kein Geschlechtsverkehr ohne Ehe machen. Wenn man den Muslim und den Muslim zusammenstellt, nebeneinander und dann gibt's natürlich einen Haufen Unterschiede. Nicht jeder Muslim ist gleich Muslim.
Interviewerin: Deswegen frage ich das auch, weil mich interessiert, ob diese Muslime, die sagen, ich bin Muslim, die aber mit der Religion nicht sehr viel zu tun haben, oder die vielleicht sogar sagen ich bin kultureller Muslim, fühle mich dem Islam verbunden, aber eben als Kultur, ist das für Dich in Ordnung, dass die sagen, die sind Muslim?
Mohammed: Weißt Du, ich hatte auch Freunde, die sind Aleviten, die hatten mir auch so gesagt, die sind Muslime. Die sagen mit Worten halt, heißen sie Muslime, aber sonst machen sie alles. Sie glauben nicht an Gott, sie sagen, ja wir sind verbunden mit dem Islam, aber sonst spielt der Islam keine so eine große Rolle, sagen sie dann. Also das war ein Name für sie.
Mohammed: [...] Wenn einer sagt "Ja ich bin Muslim" dann kann ich nicht zu dem sagen: "Du bist kein Muslim." Wenn er sagt, ich bin ein Muslim dann ... [...]
Interviewerin: Was waren für Dich wichtige Einflüsse im Hinblick auf Religion und auch im Hinblick auf das was Du über Religion weißt? Was hat Dich geprägt, was Deine Religion angeht?
Mohammed: Seit meinem siebten Lebensjahr bin ich in die Moschee gegangen, ich hab dort Koran gelernt. Und als der Imam gesehen hatte, dass ich gut vorlesen kann, hab ich angefangen den Koran auswendig zu lernen. Dann hab ich den Koran auswendig gelernt [...] zwei Jahre und dann hab ich mich immer mehr qualifiziert, dass ich manchmal am Freitags, den ersten Freitag im Monat auf Deutsch predige in der Moschee. Das wird ja verlangt, dass man auf Deutsch predigt, und viele Imame die aus der Türkei kommen, können ja kein Deutsch. Zum Beispiel wenn ich so was mache oder der Imam ist vielleicht krank dann gehe ich als Vorbild da nach vorne um dort zu beten und man sieht wie die Leute Respekt vor Dir haben, dann fühlt man sich halt sehr schön. Also mein Vater hatte mir gesagt: "Du wirst das eines Tages verstehen, wenn Du groß bist". Als ich ein kleines Kind war, hab ich gesagt: "Was soll das denn? Wie soll ich das verstehen?" und so weiter. Und jetzt sehe ich das, jetzt kann ich mir vorstellen, was mein Vater mir gesagt hatte. Und er hatte auch recht. Dann haben viele Respekt in der Moschee. Wenn zum Beispiel in einer Moschee ein Imam fehlt, dann gehe ich dort hin, um freitags zu predigen oder halt das Gebet zu verrichten. Das ist sehr schön.
Arbeitsauftrag
Arbeitsauftrag allgemein
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1. Charakterisiere die dem Text zugrunde liegende Auffassung vom „muslimisch Sein“.
2. Erkläre, wie Zugehörigkeit erlebt/verstanden wird und belege dies am Text.
3. Arbeite die Zugänge oder Positionen zu Glaube und religiöser Praxis heraus.
Arbeitsauftrag Mohammed
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1. Arbeite heraus, welche Rolle die Moschee für Mohammed spielt.
2. Interpretiere, welche Rolle die Gemeinschaft für ihn spielt.
3. Beschreibe, welche Rolle die normativen Vorschriften für Mohammed bedeuten.
Quelle
Interview Dr. Ursula Günther mit Mohammed am 23.01.2007 in Hamburg.