Zur Situation der ehemaligen DDR-Vertragsarbeiter in Mosambik. Frustrierende Rückkehr
„Treffpunkt: immer mittwochs im Park ‚Jardim Vinte e Oito de Maio‘ im Zentrum Maputos. Teilnehmer: die ehemaligen mosambikanischen Vertragsarbeiter aus der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Aktivität: Deutschland-Fahnen schwenken, über vergangene Zeiten sprechen und für mehr Geld demonstrieren. So könnte der Steckbrief eines Rituals aussehen, das weit über die Hauptstadt Mosambiks bekannt geworden ist. Auch 20 Jahre nach ihrer Rückkehr aus der ehemaligen DDR treffen sich Woche für Woche Vertragsarbeiter. Diese ‚Madgermanes‘ genannten, ehemaligen Vertragsarbeiter gelten als eine der politisch aktivsten Gruppen Mosambiks. Sie vereint die Erinnerung an die gemeinsame Zeit In der DDR, aber auch der Frust über ihre Rückkehr in ihre Heimat nach dem Fall der Mauer.
Solidarität oder Wirtschaftsinteressen?
In den offiziellen Stellungnahmen betonten beide Seiten die gegenseitige Solidarität und das Engagement für die Völkerverständigung. Aber der Einsatz der Vertragsarbeiter war für beide Seiten nicht uneigennützig: Mosambik erhoffte sich qualifizierte Facharbeiter zum Aufbau einer Industrie im vom Bürgerkrieg zerstörten Land. Die DDR ihrerseits bekam dringend benötigte Arbeitskräfte. Doch mit dem Kollaps der sozialistischen Wirtschaft nach dem Fall er Mauer im Jahr 1989 benötigten die Firmen die Vertragsarbeiter nicht mehr. In den folgenden Monaten kehrten fast alle Mosambikaner nach Afrika zurück. Darunter auch Eusébio Demba, der 1980 nach Deutschland gekommen war.
Flucht aus dem Sozialismus zur Marktwirtschaft
Eigentlich hätten die mosambikanischen Vertragsarbeiter mit ihrem in Deutschland erworbenen Wissen den Sozialismus in Mosambik stärken sollen. Doch als sie nach dem Mauerfall wieder nach Afrika zurückkamen, hatte auch in Mosambik der Kapitalismus Einzug gehalten, erinnert sich Eusébio Demba: ‚Das waren die gleichen Veränderungen, die in Deutschland mit dem Fall der Mauer begonnen und die wir dort miterlebt hatten.‘
Rückkehr in den Bürgerkrieg
Doch mit dem Schwenk vom Sozialismus zum Kapitalismus war der seit 1976 im Land wütende Bürgerkrieg noch nicht beendet. […] Keine idealen Voraussetzungen, um mehrere Tausend Rückkehrer aus der DDR zu empfangen, erinnert sich Eusébio Demba: ‚Die Regierung hielt wahrscheinlich die Lage der aus Deutschland Zurückgekehrten im Vergleich zum Bürgerkrieg für ein vergleichsweise kleines Problem und hat ihm daher wohl keine Priorität eingeräumt.‘
Demba hat in den vergangenen Jahren im deutsch-mosambikanischen Kulturinstitut ICMA, dem Goethe-Zentrum von Maputo, gearbeitet. So konnte er seine Deutschkenntnisse gut anwenden. Da wundert es nicht, wenn er ein positives Fazit der Zeit in der DDR zieht: ‚Die in Deutschland erworbenen Kenntnisse waren für viele wichtig.‘ Das gelte sowohl für die Allgemeinkultur, für die Produktionsprozesse und die Einstellung zur Arbeit, fasst Demba zusammen. ‚Insofern war unser Aufenthalt schon ein Privileg.‘
Statt Elite die zweite oder dritte Reihe
Aber es sei auch schwierig für diejenigen gewesen, die es nicht geschafft haben, sich sozial und wirtschaftlich wiedereinzugliedern, sagt Demba. Bis heute litten sie unter der fehlenden Wiedereingliederung und unter Arbeitslosigkeit. ‚Sie fühlten sich in die zweite oder dritte Reihe zurückgedrängt. Das ist der negative Teil des Aufenthaltes in Deutschland.‘
Wie Demba, so ist auch Judite Armando im Jahr 1980 in die DDR gekommen. Mit 18 Jahren hat sie die Regierung nach Ilmenau geschickt, um im Volkseigenen Betrieb Elektroglas zu arbeiten. ‚Ich bereue es‘, zieht Judite Armando ein vernichtendes Fazit ihres Aufenthaltes in der DDR. Als sie dorthin gebracht wurde, musste sie ihre Schulausbildung unterbrechen. ‚Von denjenigen, die mit mir zusammen in die Klasse gegangen sind, haben viele promoviert oder arbeiten in Banken. Sie haben ihr Studium fortgesetzt und sie leben gut. Ich dagegen, habe ein miserables Leben,‘ erzählt Armando stockend. Sie wirkt gebrochen. Die Zeit in der DDR weckt keine guten Erinnerungen: ‚Meine Rückkehr war sehr traurig. Ich bin schwanger vor dem Ende der eigentlich vorgesehenen Zeit zurückgekommen.‘ Nur zehn Prozent der mosambikanischen Vertragsarbeiter waren Frauen. Wenn sie schwanger wurden, mussten sie entweder abtreiben oder in die Heimat zurückkehren.
Der Streit ums Geld
In der DDR war den Vertragsabeitern ein Teil des Gehaltes abgezogen und an die mosambikanische Regierung überwiesen worden. Nach der Rückkehr in die Heimat sollte das Geld ausbezahlt werden. Doch bis heute streiten sich die ehemaligen Vertragsarbeiter mit dem zuständigen Arbeitsministerium über die Rückzahlung. In erster Linie geht es dabei um den Kurs, zu dem die Transfers umgerechnet werden.
Besetzung der Botschaft – die Bewegung der Madgermanes
Woche für Woche demonstrieren die Madgermanes, die ehemaligen Vertragsarbeiter, im Zentrum Maputos. Zum Höhepunkt ihrer Proteste im Jahr 2004 waren sie sogar ins Parlament eingedrungen und hatten für drei Tage die Deutsche Botschaft besetzt gehalten. Inzwischen hat ihre Bewegung an Kraft verloren, die Madgermanes sind in zahlreiche kleine, untereinander konkurrierende Verbände gespalten. Das Arbeitsministerium Mosambiks erklärt, es gäbe nichts mehr zu verhandeln, alle Berechtigten hätten inzwischen ihr Geld erhalten. […]
Gelegenheitsjobs und Arbeitslosigkeit
20 Jahre nach dem Fall der Mauer warten zahlreiche ehemalige mosambikanische Vertragsarbeiter immer noch darauf, dass ihr Potential entdeckt wird. Einige von ihnen konnten bei deutschen Institutionen unterkommen, manche haben es an anderer Stelle geschafft, ihre in der DDR erworbenen Kenntnisse einzusetzen. Viele aber schlagen sich mit Gelegenheitsjobs durchs Leben oder sind arbeitslos. Ein hartes Schicksal für diejenigen, die eigentlich die Elite des Mosambiks hätten werden sollen.
1. Wie bewertet der Autor die Erfahrungen der zurückgekehrten mosambikanischen Arbeitsmigranten hinsichtlich ihrer
- gesellschaftlichen Stellung
- beruflichen Karriere
- finanziellen Absicherung?
2. Bewertet Judite Amandos persönliches Fazit (Zeile 43-54) hinsichtlich der Verantwortung für ihre Situation.
Gekürzte Version von Johannes Beck. Zur Situation der ehemaligen DDR-Vertragsarbeiter in Mosambik: Frustrierende Rückkehr, in: Mosambik-Rundbrief 78 (2009), 26–28.