Dschihad made in Germany
Der „Heilige Krieg“ im Dienst für den deutschen Sieg im Ersten Weltkrieg
Thema
Dieses Modul wurde im Rahmen des Projektes „Geschichten in Bewegung: Erinnerungspraktiken, Geschichtskulturen und Historisches Lernen in der deutschen Migrationsgesellschaft“ entwickelt und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft" und der Bundeszentrale für politische Bildung gefördert.
Dschihad – Der Koran-Begriff für den „Heiligen Krieg“ gehört spätestens seit den Anschlägen vom 11. September 2001 zum festen Wortschatz auch nicht-muslimischer Gesellschaften. Dabei ist die moderne, d.h. die kriegerisch-terroristische Form des Dschihad keine Erfindung aus der muslimischen Welt, sondern stammt aus Deutschland. Der Orientalist und Diplomat Max von Oppenheim entwickelte im Oktober 1914 die Idee, Aufstände unter Muslim*innen in den von Briten, Franzosen und Russen beherrschten Gebieten zu entfachen und zugleich muslimische Kriegsgefangene für den Heiligen Krieg auf Seiten der Osmanen und der Deutschen, die seit Ende Oktober 1914 Seite an Seite kämpften, zu gewinnen. Kurz darauf, Mitte November 1914, rief der osmanische Sultan-Kalif Mehmed V. auf Drängen Berlins den Heiligen Krieg aus. Die Muslim*innen sollten in ihren Heimatländern gegen die britischen, französischen und russischen Unterdrücker aufstehen und, falls sie Soldaten in einer Entente-Armee waren, dem Dienst zu entsagen und sich den Truppen der Mittelmächte anschließen.
In dieser Epoche des Kolonialismus und Imperialismus waren die mehrheitlich muslimisch bewohnten Gebiete der Welt – bis auf das Osmanische Reich, den Iran und Afghanistan – britische, französische und niederländische Kolonien oder Teil des zaristischen Russlands. Oppenheims Idee war es, die Ablehnung der Briten, Franzosen und Russen durch die Muslim*innen für die politischen, wirtschaftlichen und militärischen Ziele der Deutschen, die keine Kolonien in den mehrheitlich muslimisch geprägten Gebieten hatten, auszunutzen. Briten, Franzosen und Russen wurde von den Muslim*innen in den Kolonien als Kolonialherren abgelehnt, weil sie den Einheimischen ihre Herrschaft aufzwangen, Waren importierten und damit die Wirtschaft vor Ort nicht hochkommen ließen, Rohstoffe wie Öl, aber auch Kunstwerke und Altertümer stahlen und die Muslime zwangen, als Soldaten für die Fremdherrscher in den Ersten Weltkrieg zu ziehen.
Das vorliegende Unterrichtsmodul befasst sich mit der Einbindung muslimischer Kriegsgefangener auf deutscher Seite im Ersten Weltkrieg. Es ist als Ergänzung einer Unterrichtseinheit zum Ersten Weltkrieg zu verstehen. In deutschen Schulbüchern werden dieses Thema wie auch andere globalgeschichtliche Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg selten behandelt. Dieses Modul kann dazu beitragen, den Blick der Schüler*innen (S*S) um eine globale Perspektive zu erweitern.
Lehrplanbezug
Deutsches Kaiserreich: „Einkreisung“ und Erster Weltkrieg; Osmanisches Reich; Mittelmächte; Islam; Islamismus; Dschihad; Heiliger Krieg; Asien; Afrika; Kolonialismus; Globalisierung; Diversität; kulturelle Vielfalt; Wissenschaft; Rassismus; Anthropologie; Sprachwissenschaft.
Erwartete Kompetenzen
Historische Sachkompetenz; historische Methodenkompetenz; Perspektivwechsel; Argumentations- und Urteilskompetenz; Reflexionsfähigkeit; Diskurs- und Medienkompetenz; Orientierungskompetenz.
Didaktische Perspektive
Islamischer Staat, Dschihad, Naher Osten – Die deutschsprachige Berichterstattung hat in den vergangenen Jahren viel zu diesen Schlagworten berichtet. Dabei wurde auch thematisiert, dass meist junge Menschen, Männer wie Frauen, geborene Muslim*innen wie Konvertit*innen, aus Deutschland nach Syrien und in den Irak gereist sind, um sich dort als Dschihadist*innen am Krieg zu beteiligen. In diesem Zusammenhang wurden und werden Islam und Muslim*innen nicht selten mit Gewalt, Terror und Krieg assoziiert, Islam und Islamismus gleichgesetzt und damit Stereotypen zementiert, die nur in einem bestimmten Maße mit der Realität zu tun haben.
Dieses Modul bietet S*S die Möglichkeit, den Ursachen der modernen, terroristischen Form des Dschihadismus auf den Grund zu gehen und auf diese Weise scheinbar Selbstverständliches in Sachen Islam und Muslim*innen auch ein Stück weit in Frage zu stellen (Reflexion der historischen Identitäten). Die S*S setzen sich damit zugleich mit einem wenig bekannten Abschnitt der deutschen Geschichte im frühen 20. Jahrhundert auseinander. Hierzu werden Materialien in unterschiedlicher Form – Video, Foto, Text und Tonaufnahmen – mit einbezogen. Dadurch erweitern die S*S primär ihre historische, aber auch ihre Medienkompetenz, um aktuelle Ereignisse und Erscheinungen sowie die Art und Weise ihrer geschichtswissenschaftlichen wie medialen Darstellung bewusster zu reflektieren, zu kontextualisieren und so besser einzuordnen. Durch einen Abgleich mit den Inhalten ihrer eigenen Schulbücher bekommen sie eine Einführung in die Geschichtskultur und reflektieren diese. Optional kann diese Reflexion in der fünften Unterrichtsstunde vertieft werden.
Sie können auch die gesamte Materialsammlung zusammen mit dem kompletten Text dieser Unterrichtseinheit herunterladen.