Extremismus
Gefahr für den demokratischen Staat
Thema
Extremistische Bewegungen haben Zulauf. Das Bundeskriminalamt (BKA) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) stellen eine neue Bedrohungslage für den demokratischen Verfassungsstaat fest. Das liegt an einer zunehmenden Internationalisierung sowie an virtuellen Räumen, in denen eine stärkere Vernetzung stattfindet. Das zeigte sich beispielsweise 2019 in Halle, als ein Täter aus antisemitischen Motiven in eine jüdische Synagoge eindringen wollte und seinen Anschlag live im Internet streamte. Das Video wurde vielfach über soziale Medien verbreitet.
Neue Bewegungen bilden sich. So sprechen „die Identitären“ in erster Linie junge Erwachsene an. Sie geben sich „hip“, haben aber eine extremistische Ideologie und warnen etwa vor der Zerstörung der europäischen Kultur durch „Islamisierung“. Skurril muten die Reichsbürger*innen an, die den Staat ablehnen und an den Fortbestand des Deutschen Reichs glauben. Einige von ihnen hegen extremistisches Gedankengut, hängen etwa Verschwörungstheorien nach und sind gewaltbereit, wenn es um die Nichtakzeptanz von Recht und Ordnung und konkret um Angriffe von Polizeibeamt*innen geht. Eskalationsmomente von linksextremer Gewalt waren wiederum beim G-20-Gipfel in Hamburg im Juli 2017 zu beobachten. In Städten wie Berlin und Leipzig häufen sich Konfrontationen mit der Polizei. In der Diskussion um den islamistischen Extremismus fallen immer wieder die Worte „Schläfer“ und „Gefährder“ – letztere gelten als potentielle Terrorist*innen. In den letzten Jahren wurde auch konstatiert, dass die salafistische Szene in Deutschland aktiver wird. Aufgrund des Kampfes gegen den selbst ernannten „Islamischen Staat“ im Nahen Osten drohen Vergeltungsschläge. Zudem stellt sich die Frage, inwieweit Rückkehr*innen oder Menschen, die sich angeblich oder tatsächlich als Flüchtlinge[1] tarnen, den demokratischen Verfassungsstaat bedrohen. Die Komplexität und Vielschichtigkeit des Themas „Extremismus“ legen eine Vertiefung im Schulunterricht nahe. Diese Unterrichtseinheit legt es darauf an, extremistisches Denken zu rekonstruieren, neue Dynamiken zu analysieren und Schüler*innen dazu anzuregen, Gegenstrategien zu entwickeln.
[1] Die Gesellschaft für deutsche Sprache weist darauf hin, dass die Verwendung des Ableitungssuffixes -ling für eine Person steht, für die ein Merkmal charakteristisch ist. Viele Worte, die mit diesem Suffix gebildet werden, sind negativ konnotiert, wie beispielsweise Eindringling oder Emporkömmling. Die Bezeichnung „Flüchtling“ wird daher als abwertend kritisiert. Um einen sensiblen Sprachgebrauch anzuregen, wird heute häufig die Bezeichnung „Geflüchtete“ anstelle von „Flüchtlinge“ bevorzugt. Im Rahmen gesetzlicher Regelung, internationaler Konventionen (z. B. Genfer Flüchtlingskonvention) ist allerdings weiterhin der Begriff „Flüchtlinge“ dominant.
Lehrplanbezug
Durchbruch und Scheitern des demokratischen Verfassungsstaats; Zerstörung der Demokratie; Extremismus; Bedrohung von Demokratie und Freiheit; Sicherung der Zukunftsfähigkeit der Demokratie; Politische Parteien; Nationalismus; Europäische Union (EU); Identität, Vorausurteile und Vorurteile.
Erwartete Kompetenzen
Orientierungskompetenz, Sachkompetenz; Demokratiefähigkeit; Urteilsbildungskompetenz, Problemlösungskompetenzen, Reflexionskompetenz, Medienkompetenz; Mehrperspektivität.
Didaktische Perspektive
Extremismus und Terrorismus sind alte und neue Phänomene zugleich. Deutschland ist durch besondere Diktaturerfahrungen geprägt, den totalitäten Nationalsozialismus (NS) sowie die autoritäre Deutsche Demokratische Republik (DDR). Die nationalsozialistische Erfahrung wie auch die fehlende Abwehrbereitschaft der Weimarer Republik prägten das Grundgesetz. Vorkehrungen der streitbaren Demokratie wie die Möglichkeit eines Parteienverbots sind nur dadurch zu verstehen und zu vermitteln. Immer wieder müssen und sollten die Prägungen dieser Zeit berücksichtigt werden, wenn es etwa um einen revitalisierten Antisemitismus geht. Auch die Verfolgung von Homosexuellen sowie Sinti*zze und Rom*nja im Nationalsozialismus sollten im Unterricht behandelt werden.
Die Bundesrepublik Deutschland ist immer wieder von extremistischen und terroristischen Herausforderungen bedroht worden. So versuchte beispielsweise die DDR mit Hilfe derartiger Kräfte zuweilen die BRD zu destabilisieren. Eine besondere Herausforderung stellte aber auch der Linksterrorismus der Roten Armee Fraktion (RAF) dar. Nach der deutschen Wiedervereinigung sorgten tätlilche Angriffe auf Asylbewerberheime für Empörung.
Zu den neueren Entwicklungen gehört etwa die Ausbreitung des islamistischen Extremismus. Der Rechts- und Linksextremismus richten sich häufig gegen Auswirkungen der Globalisierung und Internationalisierung. Die zunehmende Virtualisierung hat dazu geführt, dass die Bewegungen internationaler geworden sind und sich vielfältig vernetzen. Daher ist ein Blick über den Tellerrand empfehlenswert.
Lange wurde dem Rechtsterrorismus kaum öffentliche Aufmerksamkeit geschenkt, was sich nach Bekanntwerden der Taten des Nationalsozialistischen Untergrunds und schließlich durch die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke änderte. Linksextremistische Gewaltexzesse wurden etwa durch den G-20-Gipfel in Hamburg sichtbar. Im Bereich des islamistischen Extremismus stellen besonders die zahlreichen islamistischen Terroranschläge und eine auflebende Salafist*innenszene eine neue Bedrohung dar – verstärkt durch die Situation im Nahen Osten, durch die Vergeltungsschläge als immer wahrscheinlicher angesehen werden.
In dieser Unterrichtseinheit werden besonders Problemlösungskompetenzen fokussiert. In der medialen Darstellung wird die Vielschichtigkeit von Extremismus zumeist nicht vermittelt. Der Themenkomplex in drei Hauptströmungen strukturiert: Rechtsextremismus, Linksextremismus und islamistischer Extremismus. Diese Herangehensweise liefert den Schüler*innen (S*S) Strukturen für die Analyse eines Praxisbeispiels. Die Herausforderung besteht darin, die S*S in diesen Analyse- und Interpretationsprozess mit einzubinden. Das gilt auch oder sogar besonders für den Fall, wenn ein*e Schüler*in mit Extremist*innen sympathisiert oder ihre Argumente teilt.
Die Unterrichtseinheit nähert sich dem Thema Extremismus multiperspektivisch, mit dem Blick auf den internationalen Kontext, gerichtet. Sie geht unter anderem der Frage nach, ob die westliche Demokratie in einer Krise ist. Die politische Kommunikation über soziale Medien, besonders im Hinblick auf die Verbreitung von „Fake News“, kann nicht mehr nur national gedacht werden. In diesem Zusammenhang spielt Populismus eine große Rolle. Daher werden am Ende dieser Unterrichtseinheit verschiedene Strategien aufgezeigt, wie dem Populismus begegnet werden kann und die S*S reflektieren darüber, in welchen Bereichen sie selbst die Möglichkeit haben, diese Strategien zu unterstützen.
Sie können auch die gesamte Materialsammlung zusammen mit dem kompletten Text dieser Unterrichtseinheit herunterladen.