Behindert sein oder behindert werden?

Die Bedeutung der Gesellschaft für Inklusion

Von: Dr. Carolin Bätge

Ablaufplan

  1. Stunde 1: Was ist Inklusion?

    1. Lernziele

      • Die Schüler*innen (S*S) nähern sich der Thematik Inklusion an.
      • Sie erarbeiten und analysieren erste Eindrücke zu Behinderung und Exklusion in historischer Perspektive.
    2. Vorbereitung

      • Die Lehrkraft fertigt ausreichende Kopien von Material 3 an.
      • Smartboard/Beamer zum Abspielen der Videos (Material 1 und 2) steht zur Verfügung. Bei dem zweiten Video stellt die Lehrkraft ggf. Untertitel ein.
      • Die S*S haben Zugang zum Internet für die Recherchearbeiten.
      • Verschiedene Präsentationsmedien stehen zur Verfügung, etwa Smartboard, Tafel, Laptop, Flipchart oder ähnliches. Alternativ kann die Lehrkraft die S*S im Vorwege bitten, sich um die von ihnen benötigten Materialien zu kümmern.
    3. 1 . Einstieg + erste Sicherung

      Dauer 15 min
      • Einstieg in das Thema mit dem Video „Was ist Inklusion?“ von der „Aktion Mensch“ (Material 1). Es können automatisch erstellte Untertitel aktiviert werden.
      • Die S*S fassen den Inhalt des Videos zusam­men. Die Lehrkraft hält zentrale Aspekte an der Tafel oder dem Whiteboard fest.
      • Ggf. kann ergänzend ein weiteres Video (Material 2) gezeigt werden, das die Thema­tik vertieft und sich an das Video aus Material 1 direkt anbinden lässt. Auch bei diesem Video können automatisch erstellte Untertitel aktiviert werden.
      • Neue Informationen werden festgehalten, sodass die Begriffsbedeutung erweitert wird.
      • Impuls:
        Die Lehrkraft kann mit den S*S diskutie­ren, ob ihnen Inklusion in ihrer Umgebung aufgefallen ist und welche Erfahrungen sie bisher mit dem Thema gemacht haben.
    4. 2 . Erarbeitung

      Dauer 30 min
      • Die Lehrkraft erklärt, dass Menschen mit einer Beeinträchtigung lange keine Rechte auf Inklusion in die Gesellschaft hatten. Daher soll es nun um die Behinderung bzw. Menschen mit Beeinträchtigung in der Geschichte gehen.
      • Die S*S setzen sich in Gruppen mit Hilfe des Online-Handbuches „Inklusion als Men­schenrecht“ (Material 3) mit den Lebensumständen von betroffenen Perso­nen aus jeweils einer Epoche (Antike, Mittel­alter, Neuzeit, Neueste Geschichte, Nationalsozialismus, Nachkriegsdeutsch­land, Gegenwart) auseinander.
      • Hinweis:
        Die Lehrkraft bittet die S*S die Ernsthaftig­keit des Themas nicht aus den Augen zu verlieren und sich nicht über historische Begrifflichkeiten lustig zu machen, sondern zu versuchen nachzuvollziehen, wie belei­digend die Bezeichnungen für Betroffene sein können und waren.
      • Jede Gruppe sucht sich eine Epoche aus mit der sie sich näher beschäftigen möchte.
      • Die Bearbeitung der Aufgabe wird in der nächsten Stunde fortgesetzt. Die Zusatz­recherche kann in einer zusätz­lichen Stun­de oder im Rahmen einer Hausarbeit nach Bedarf ausgedehnt werden.
  2. Stunde 2: Inklusion und Behinderung: Früher und heute

    1. Lernziele

      • Die S*S arbeiten in heterogenen Lerngruppen zusammen und setzen sich mög­lichst selbstständig mit einem Thema ihrer Wahl auseinander.
      • Die S*S schulen ihre Medienkompetenz und verschiedene Präsentations­techniken.
    2. Vorbereitung

      • Die S*S haben Zugang zum Internet für die Recherchearbeiten.
      • Die Materialien, mit denen die S*S in der letzten Stunde gearbeitet haben, stehen zur Verfügung.
    3. 3 . Erarbeitung

      Dauer 20 min
      • Die S*S arbeiten weiter an ihren Präsentationen.
    4. 4 . Ergebnispräsentation

      Dauer 25 min
      • Die Kurzpräsentationen sollten auf die drei Hauptfragestellungen (Material 3, Aufgabe 3-5) eingehen und diese beantworten. Die Präsentationsmethode ist den S*S über­las­sen (bspw. eine PowerPoint-Präsen­ta­tion auf dem Laptop).
  3. Stunde 3: und 4: Von der Exklusion zur Inklusion?

    1. Lernziele

      • Die S*S erkennen, dass Inklusion ein Menschenrecht ist.
      • Sie lernen mittels Biografien und eigener Recherche weitere Beispiele von Men­schen mit Beeinträchtigung in ihren Lebenswelten kennen.
      • Die S*S lernen, die Darstellung von Menschen mit Beeinträchtigung in den Me­dien zu hinterfragen und können relevante Aspekte auf ähnliche Situationen übertragen.
    2. Vorbereitung

      • Die Geräte/Materialien zur Visualisierung der Gruppenarbeiten aus der letzten Stunde stehen zur Verfügung.
      • Die S*S haben Zugang zum Internet für die Recherchearbeiten.
      • Smartboard/Beamer zum Abspielen eines Videos (Variante A Material 5 oder Variante B Material 11) steht zur Verfügung. Ggf. stellt die Lehrkraft Untertitel ein.
        Variante A:
      • Die Lehrkraft fertigt ausreichende Kopien von Material 4 an.
        Variante B:
      • Die Lehrkraft fertigt ausreichende Kopien von Material 6, 7, 8 und 9 an.
    3. 5 . Abschluss und Ergebnissicherung

      Dauer 15 min
      • Die Klasse visualisiert noch einmal die Gruppenarbeiten aus der letzten Stunde.
      • Die Lehrkraft resümiert, dass Inklusion als Menschenrecht mit der UN-BRK 2006 eindeutig festgehalten wurde. Sie sammelt gemeinsam mit den S*S (gesellschaftliche wie individuelle) Gründe für den Aus­schluss aus der Gesellschaft (basierend auf den Biografien und Gruppenarbeiten).
      • Anschließend können entweder im Rah­men einer Biografiearbeit weitere Men­schen mit Beeinträchtigung vorgestellt und an ihren Beispielen Inklusion thematisiert (Variante A) oder aber die Darstellung von Menschen mit Beeinträchtigung in den Medien diskutiert (Variante B) werden. Variante A bietet einen niedrigschwelligeren Zugang.
    4. 6 . Überleitung (Variante A)

      Dauer 5 min
      • Die Lehrkraft leitet zum Transferbereich über.
      • Impuls:
        Ihr habt in euren Gruppenarbeiten bereits ein paar Menschen mit Beein­trächtigung kennengelernt. Fallen euch aktuelle Beispiele ein für bekannte Menschen mit Beeinträchtigung?
      • Erwartungshorizont:
        Hierdurch sollen Perspektiven der S*S eingebunden und Lebensweltnähe sicher­gestellt werden.
    5. 7 . Vertiefung (Variante A)

      Dauer 25 min
      • Die S*S setzen sich mit einer auf dem Arbeitsblatt (Material 4) vorgeschlagenen Per­son auseinander. Sie bereiten in Part­ner*innenarbeit eine kurze, einminütige Vorstel­lung vor, in der erwähnt werden soll, wer die Person ist und was die S*S durch sie Neues erfahren haben bzw. was sie über­rascht hat.
    6. 8 . Präsentation (Variante A)

      Dauer 20 min
      • Die S*S stellen „ihre“ Berühmtheiten kurz vor.
      • Hinweis:
        Ggf. weist die Lehrkraft darauf hin, dass es verschiedene Arten von Beeinträchtigung gibt, sodass psychische Störungen ebenso dazugehören wie körperlich-motorische, sozial-emotionale, Sinnes- und kognitive Beeinträchtigungen.
    7. 9 . Ergebnissicherung (Variante A)

      Dauer 5 min
      • Der Abschnitt kann wie folgt abgeschlossen werden:
      • Impuls:
        • Was fällt euch bei all diesen Menschen auf? Gibt es einen gemeinsamen Nenner?
        • Kann man bei diesen Beispielen von gelungener Inklusion sprechen? Warum (nicht)?
      • Die Lehrkraft hält Wesentliches an der Tafel/am Smartboard fest.
    8. 10 . Transfer und Abschluss (Variante A)

      Dauer 20 min
      • Die Lehrkraft legt dar, dass es in einem Video abschließend darum geht, wie be­stimmte Begriffe umgangssprachlich als Beleidigung verwendet werden und wie dies bei Menschen ankommt, die sich davon angesprochen fühlen (Material 5, bis 4:06 Min).
      • Impulse für Abschlussdiskussion:
        Nehmt Stellung zu folgender Aussage aus dem Video: „Wenn wir Wörter wie ‚behin­dert‘ gebrauchen […], dann ist uns oft gar nicht klar, dass Sprache unglaublich viel Macht haben kann. Und allein dadurch, dass wir diese Wörter permanent gebrau­chen und in ihrer Bedeutung verharmlosen, verletzen wir eigentlich mehr Menschen, als wir es vorhaben.“ (Zitat Raul Krauthausen).
      • Den Abschluss bildet folgender Transfer:
      • Impulse:
        • Fallen euch noch weitere Wörter ein, die wie „behindert“ alltagssprachlich beleidigend wirken können?
        • Beispiele: „schwul“, „Schwuchtel“, „Mongo“, „Spasti“, …
      • Das Ende der Unterrichtseinheit beschließt ein weiterer Ausschnitt aus de, Video (Material 5, 19:09-20:15 Min.), in dem Raul Krauthausen den Unterschied zwischen „behindert sein“ und „behindert werden“ herausstellt.
      • Erwartungshorizont:
        Es wird deutlich, dass Menschen mit einer Beeinträchtigung, wie alle anderen auch, eine heterogene Gruppe darstellen, die sich unterschiedlicher Möglichkeiten bedienen kann, um sich selbst Teilhabe am gesell­schaft­lichen Leben zu verschaffen. Besonders sind aber die Menschen ohne Beeinträchtigung gefragt, um ihnen Barrieren aus dem Weg zu räumen und dadurch gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Ein Beitrag, den jeder Einzelne leisten sollte, ist eine Reflexion des Sprachgerbrauchs und eine Bewusstmachung von Wörtern und Redewendungen, die andere Menschen degradieren oder eine verletzende Wirkung haben können.
    9. 11 . Überleitung (Variante B)

      Dauer 2 min
      • Die Lehrkraft erklärt, dass nun aktuelle Bilder (und Narrative) der Medien kritisch hinterfragt werden sollen. Hierzu finden sich die S*S in 4 Kleingruppen zusammen, um sich mit jeweils einem Medienformat näher zu beschäftigen. Ergänzend kann auch ein Vorschlag der Klasse bearbeitet werden.
      • Erwartungshorizont:
        Die Gruppenarbeit dient zur Förderung der Medien- und Urteilskompetenz der S*S
        .
    10. 12 . Vertiefung (Variante B)

      Dauer 28 min
      • Die Kleingruppen bearbeiten je eines der Arbeitsblätter (Material 6-9).
    11. 13 . Präsentation (Variante B)

      Dauer 25 min
      • Die S*S stellen kurz ihre Ergebnisse vor (max. 5 Minuten pro Gruppe).
      • Die Lehrkraft schreibt wesentliche Gemein­sam­keiten und Unterschiede an die Tafel. Sie kann beispielsweise kontrastierend auf den Vergleich der transportierten Botschaf­ten und Entstehungsbedingungen der auf den ersten Blick ähnlichen Storylines in „Ziem­lich beste Freunde“ und „Ein ganzes halbes Jahr“ eingehen.
      • Erwartungshorizont:
        Die Ergebnisse sollten folgende Aspekte berücksichtigen:
        • Das Vorkommen von Menschen mit Be­einträchtigung in heutigen Medien nimmt zwar quantitativ zu, ihre Darstellung variiert aber stark.
        • Ebenso variieren die durch die Medien übermittelten Messages. Es werden so- wohl realistische Lebenswelten als auch von Leid und weiteren negativen Kon­no­tationen geprägte Darstellungen präsentiert.
        • Grundsätzlich gilt: Je mehr bzw. stärker Betroffene bei einem Medienformat mit- gewirkt haben, desto authentischer wird es.
        • Es sollte darauf verzichtet werden, unreflektiert über Menschen mit Beeinträchtigung zu sprechen, vielmehr sollte mit ihnen gesprochen werden.
    12. 14 . Abschluss (Variante B)

      Dauer 20 min
      • Abschließend geht es darum, Inklusion und bestehende Bilder über Menschen mit Beeinträchtigung in heutigen Gesellschaf­ten zu hinterfragen.
      • Als Beispiel dient die Rede Meryl Streeps bei den Golden Globes 2017, in der sie Bezug auf einen kontrovers diskutierten Wahlkampfauftritt Donald Trumps Bezug nimmt. (Als Hintergrundlektüre für die Lehrkraft eignet sich folgende Zusammenfassung: https://www.welt.de/politik/ausland/article149313104/Dieser-Trump-ueberschreitet-jede-rote-Linie.html)
      • Die Lehrkraft zeigt das Video zur Rede (Material 10).
      • Im Anschluss daran leitet die Lehrkraft zur Abschlussdiskussion über.
      • Impulse:
        • Sollten bekannte Persönlichkeiten sich politisch äußern? Nehmt Stellung!
        • Was wurde in Deutschland bzgl. Inklu­sion erreicht? Welche Bilder von Men­schen mit Beeinträchtigung sind für eine gelungene Inklusion wichtig? Was wurde noch nicht erreicht?
        • Worin unterscheiden sich „be­einträchtigt sein“ und „behindert werden“?
      • Erwartungshorizont:
        Es sollte herausgestellt werden, dass erst die Benachteiligungen durch Umwelt und Gesellschaft eine Behinderung ausmachen (zuvor liegt lediglich eine Beeinträchtigung vor). Inklusion obliegt nicht der alleinigen Verantwortung eines Betroffenen, sondern ist Aufgabe der Gesellschaft. Hierzu ist es jedoch notwendig, Barrieren (von baulichen bis hin zu imaginären) zu überwinden. Rech­te alleine können dies nicht gewähr­leisten.

Sie können auch die gesamte Materialsammlung zusammen mit dem kompletten Text dieser Unterrichtseinheit herunterladen.