Erinnerung an Babyn Yar

Eine Tragödie für die Vielfalt in der Ukraine

Sprache: Deutsch
Von: Prof. Dr. Yurij Shapoval, Yulia Ostropalchenko
Weitere Sprachen:
English Ukrainisch

Ablaufplan

  1. Stunde 1: Die Tragödie von Babyn Yar

    1. Lernziele

      • Die Schüler*innen (S*S) verstehen die Begriffe Holocaust, Genozid und Einsatzgruppe.
      • Sie gewinnen ein Grundwissen über die Geschichte der Ukraine in Verbindung mit dem Holocaust.
    2. Vorbereitung

      • Die Lehrkraft fertigt ausreichende Kopien von Material 1 an.
      • Die technischen Voraussetzungen um ein Video (Material 2) zu projizieren sind sichergestellt. Das Video befasst sich relativ nüchtern mit dem Massaker und kontextualisiert dieses in der deutschen Erinnerungslandschaft. In der ukrainischen und englischen Version dieser Unterrichtseinheit wird ein deutlich stärker emotionalisierendes Video mit teilweise schockierenden historischen Bildmaterialien verwendet. Es ist auf Englisch und ein Link zu diesem Video befindet sich ebenfalls in Material 2. Außerdem gibt es eine Empfehlung zu einer ähnlich emotionalisierenden Version auf Deutsch. Sofern die Lehrkraft es vorzieht, eines dieser Videos zu zeigen, prüft sie diese vorab und überlegt sich, ob sie es für angemessen hält, eines davon mit den S*S anzusehen.
      • Die Lehrkraft bereitet eine gemeinsame Mindmap vor, indem sie die folgenden Begriffe ans Whiteboard oder ein Flipchart schreibt: Holocaust, Babyn Yar, Genozid, Ukraine, Einsatzgruppe, Erinnerungskultur. Alternativ kann auch eine gemeinsame digitale Mindmap erstellt werden. Es sollte ausreichend Platz um die Worte bereitstehen, um Moderationskarten darum zu platzieren. Die Lehrkraft stellt sicher, dass die Mindmap auch in den folgenden Stunden verwendet und erweitert werden kann.
      • Moderationskarte, Stifte und Befestigungsmaterial, um die Karten auf der Mindmap zu platzieren, stehen bereit.
      • Die Lehrkraft sieht sich die Definition der Schlüsselbegriffe in dem Glossar (Material 13) an. Die Abfolge der Ereignisse (Material 12) können als Orientierung während der folgenden fünf Stunden dienen.
    3. 1 . Einführung

      Dauer 15 min
      • Die Lehrkraft führ das Thema der Unterrichtseinheit ein und diskutiert mit den S*S die Schlüsselbegriffe der Stunde: Ukraine, Holocaust, Babyn Yar, Genozid, Einsatzgruppe und Erinnerungskultur.
      • Die Lehrkraft notiert die Beiträge auf dem Whiteboard und ergänzt ggf. einzelne Details mit Hilfe des Glossars (Material 13). Die Diskussion dient vor allem dazu, das Vorwissen der S*S herauszufinden und alle auf einen ähnlichen Stand zu bringen.
      • Impulse:
        > Was wisst ihr über die Ukraine und ihre Geschichte? (diese Frage eignet sich natürlich vor allem für S*S ohne Bezug zur Ukraine)
        > Wie war die Situation in der Ukraine vor und zu Beginn des Zweiten Weltkriegs?
        > Was wisst ihr über den Holocaust in Europa während des Zweiten Weltkriegs? Was wisst ihr über den Holocaust in der Ukraine?
        > Was planten die Nazis mit den Jüd*innen, die im Gebiet der heutigen Ukraine lebten, zu tun?
        > Was wisst ihr über Babyn Yar?
        > Welche Mission und Aufgaben hatten die Einsatzgruppen während des Zweiten Weltkriegs?
        > Was bedeutet Erinnerungskultur?
      • Die Lehrkraft verteilt das Arbeitsblatt (Ma­ter­ial 1) und bittet die S*S die ersten beiden Spalten der Tabelle auszufüllen.
    4. 2 . Arbeitsphase

      Dauer 25 min
      • Die Lehrkraft zeigt das Video (Material 2).
      • Nachdem die S*S das Video angesehen haben, diskutieren sie Inhalt und ihre Eindrücke.
      • Impulse:
        > Welche ist die zentrale Aussage des Videos?
        > Inwiefern helfen uns Augenzeug*nnenberichte die Tragödie von Babyn Yar besser zu verstehen?
        > Was sagt uns das Video über Erinnerungspraxis?
      • Im Anschluss an die Diskussion bittet die Lehrkraft die S*S die letzte Spalte der Tabelle (Material 1) auszufüllen.
      • Während die S*S schreiben verteilt die Lehrkraft Moderationskarten und Stifte und macht die Mindmap für alle sichtbar.
      • Die Lehrkraft bittet die S*S ihre Gedanken zu den Begriffen auf den Moderations­kar­ten zu notieren und diese in die Mindmap zu integrieren.
    5. 3 . Ergebnissicherung

      Dauer 5 min
      • Lehrkraft und S*S lesen die Mindmap gemeinsam durch, passen ggf. Die Position von einigen Moderationskarten an und prägen sich die Ergebnisse für die folgende Stunden ein.
      • Die Lehrkraft stellt sicher, dass die Mind­map in der nächsten Stunde wieder verfügbar ist.
  2. Stunde 2: Wie alles begann

    1. Lernziele

      • Die S*S gewinnen ein tieferes Verständnis von der Geschichte kurz bevor die Nazis ihre Verbrechen in Babyn Yar begingen.
    2. Vorbereitung

      • Die Lehrkraft platziert die Mindmap aus der letzten Stunde an einen Ort, den alle S*S einsehen können.
      • Die Lehrkraft fertigt ausreichende Kopien von Material 3 an.
    3. 4 . Einführung

      Dauer 5 min
      • Die Lehrkraft ruft den Inhalt der letzten Stunde in Erinnerung indem sie auf die Mindmap verweist. In dieser Stunde werden die S*S tiefere Einsichten in die Geschichte bekommen, indem sie mit Textquellen arbeiten.
    4. 5 . Arbeitsphase

      Dauer 15 min
      • Die Lehrkraft teilt die S*S in Kleingruppen ein und verteilt das Arbeitsblatt (Material 3).
      • Nach einer kurzen Stillarbeitsphase beginnen die Gruppen den Inhalt und die Bedeutung des Dokumentes zu diskutieren. Das Dokument ist zweisprachig, sodass die S*S sich aussuchen können, ob sie den Inhalt auf Deutsch oder Ukrainisch lesen wollen. Die Interaktion animiert die S*S dazu, sich am Lernprozess zu beteiligen, egal in welcher Sprache sie das Dokument lesen.
      • Die Lehrkraft stellt sicher, dass die Diskussion in den Gruppen, die früher mit dem Lesen fertig sind, die anderen S*S nicht durch ihre Diskussionen stören.
    5. 6 . Ergebnissicherung

      Dauer 20 min
      • Eine Gruppe präsentiert ihre Ergebnisse und die anderen Gruppen ergänzen weitere Details und Meinungen.
      • Schließlich ergänzt die Lehrkraft die fehlenden Informationen.
      • Erwartungshorizont:
        Die Art der Veröffentlichung einer solchen Ankündigung war eine typische Strategie der Nationalsozialist*innen, um ihre Opfer vor deren Exekution in die Irre zu leiten. Der Aufruf zeigt den Jüd*innen nicht, dass sie sich in Todesgefahr befinden, sondern versucht den Eindruck zu erwecken, dass sie umgesiedelt werden würden. Es gab in Kiew tatsächlich Gerüchte, die die Menschen glauben ließen, dass sie an einen anderen Ort verschickt werden würden. Das Verbot die verlassenen Wohnungen zu betreten, um sich jüdisches Eigentum anzueignen, könnte die Illusion geschaffen haben, dass ihr Besitz sicher sei und auf ihre Rückkehr warten würde. Gleichzeitig enthielt der Aufruf die Drohung der Todesstrafe für diejenigen, die ihm nicht Folge leisteten. Daher war es verständlich, dass viele Jüd*innen davon ausgingen, es sei sicherer den Aufruf nachzukommen und sich zur angegebenen Zeit an dem Treffpunkt einzufinden.
      • Die Lehrkraft schließt die Diskussion mit dem Verweis darauf, dass die Mehrheit der Jüd*innen, die sich an dem Treffpunkt eingefunden hatten, ermordet wurden und nur sehr wenige Menschen überlebten..
  3. Stunde 3: Ein vergessener Ort

    1. Lernziele

      • Die S*S gewinnen Einblicke in die Komplexität und Kontroversität von Erinnerungskultur an Babyn Yar während der sowjetischen Ära.
      • Sie kennen die Gründe für die Unterdrückung der Erinnerung an Babyn Yar in verschiedenen erinnerungskulturellen Phasen.
      • Die S*S verstehen, dass diese Kontroversität als Beginn der sowjetischen Propaganda verstanden werden kann, die das Bild der Ukrainer*innen als Kollaborateure und Komplizen an der Ermordung der Jüd*nnen darstellt und die Grundlage für die Propaganda bildet, mit der Präsident Putin seinen Angriffskrieg offiziell rechtfertigte.
    2. Vorbereitung

      • Die Lehrkraft fertigt ausreichende Kopien der Materialien 4 und 6 an.
      • Sie bereitet die Projektion des Videos (Material 5) vor und stellt den angegebenen Auszug (Min. 10:18 bis 14:47) ein.
    3. 7 . Einführung

      Dauer 5 min
      • Die Lehrkraft beginnt die Stunde indem sie den S*S erklärt, das im Jahr 1961 der russisch-sowjetische Dichter Yevgeny Yevtushenko ein Gedicht mit dem Titel “Babyn Yar” erstmals öffentlich vortrug. Die erste Zeile lautet übersetzt: “Es gibt keine Denkmale in Babyn Yar”.
      • Die Lehrkraft fragt die S*S, was sie darüber wissen.
      • Nach einem kurzen Unterrichtsgespräch kündigt die Lehrkraft an, dass die folgende Stunde sich mit der komplexen und kontroversen Erinnerungskultur an Babyn Yar befassen wird.
    4. 8 . Arbeitsphase I

      Dauer 15 min
      • Die Lehrkraft verteilt den Augenzeugen­bericht (Material 4) und bittet die S*S diesen in Stillarbeit zu lesen.
      • Die Lehrkraft bittet die S*S zusammenzufassen, was sie gelesen haben.
      • Um den S*S Hintergrundinformationen zu verschaffen, zeigt die Lehrkraft den ange­gebenen Auszug (Min. 10:04 bis 14:35) aus dem Video über die Hinrichtung von Paul Blobel (Material 5). Die Lehrkraft kann die S*S die in dem Material beschrie­benen Gründe für die Wahl des Ausschnit­tes und dafür, dass das Video nicht bis ganz zu Ende gezeigt wird, erklären.
      • Nachdem sie das Video angesehen haben bittet die Lehrkraft die S*S zu diskutieren, ob diese Vertuschungsaktion zu einer Unterdrückung der Erinnerung an Babyn Yar geführt haben kann.
      • Erwartungshorizont:
        Im Laufe der Diskussion erfährt die Lehr­kraft wie viele Vorkenntnisse die S*S über die sowjetische Propaganda haben.
        Die Diskussion kann hervorbringen, dass sowjetische Machthaber die Verbrechen der Nazis nicht hätten vertuschen müssen, aber dennoch – aus anderen Gründen – die Erinnerung an Babyn Yar verhindert haben
        .
    5. 9 . Arbeitsphase II

      Dauer 15 min
      • Die Lehrkraft erklärt, dass Josef Stalin während des Zweiten Weltkriegs eine Kampagne gegen sowjetische Jüd*innen gestartet hatte und Jüd*innen allgemein unterstellte, sie seien unpatriotisch und gegenüber den Ländern, in denen sie lebten, nicht loyal. Sowjetische Machthaber weigerten sich außerdem Jüd*innen als Mitglieder der sowjetischen Gesellschaft anzuerkennen. Aus diesem Grund spra­chen offizielle sowjetische Berichte über das Massaker von Babyn Yar im Jahr 1944 sowjetische Bürger*innen als Opfer, ohne zu zeigen, dass die Mehrheit Jüd*innen waren. Ironischerweise könnte das auch als Zeichen dafür interpretiert werden, dass Jüd*innen integraler Bestandteil der Gesellschaft waren und es daher nicht mehr erwähnt werden müsste, dass diese sowjetischen Zivilist*innen jüdisch waren. Aber das war schlicht nicht die Absicht der sowjetischen Machthaber, die diese Infor­mation zurückhielten. Sie wollten vor allem den Genozid vertuschen.
        Nach Stalins Tod wurden erste Pläne zur Errichtung eines Monuments im Jahr 1957 gestoppt. Stattdessen beabsichtigte man, ein Sportstadium zu errichten, das den Ort des Massakers begraben sollte. Aber dieser Plan wurde ebenfalls nicht in die Tat umgesetzt. Auch ein Park mit einem Denkmal wurde zu jener Zeit nicht in Babyn Yar installiert.
        Diese Pläne wurden durch Nikita Chruscht­schow vereitelt, die sich für den Bau eines Damms einsetzte, der Schlamm und Was­ser eines nahegelegenen Steinbruchs auffangen sollte – eine Entscheidung mit großem Einfluss auf die Erinnerung an jenen Ort.
      • Die Lehrkraft beendet ihren Vortrag hier und teilt die Klasse in Arbeitsgruppen ein und verteilt das Arbeitsblatt zur Flut von Kurenivkas (Materi­al 6).
      • Die Gruppen lesen den Text und beantworten die Fragen.
    6. 10 . Ergebnispräsentation

      Dauer 10 min
      • Die S*S präsentieren ihre Ideen zur Bezeichnung der Flut als „Rache von Babyn Yar“.
      • Erwartungshintergrund:
        Die Idee, die Flut „Rache von Babyn Yar” zu nennen, zeigt den Protest gegen die sowjetische Unterdrückung der Erinne­rungs­kultur an das Massaker und kritisiert die Regierung dafür, diese zu vertuschen.
      • Am Ende der Stunde leitet die Lehrkraft die Konzentration der S*S auf die Tatsache, dass in demselben Jahr, in dem sich die Flut ereignete, die Veröffentlichung des zu Beginn der Stunde erwähnten Gedichtes zugelassen oder nicht verhindert wurde. Dies ist ein Hinweis darauf, dass politische Maßnahmen zur Unterdrückung der Erinnerungskultur langsam an Härte verloren.
        Allerdings fanden in den 1960er und 1970er Jahren gerichtliche Verfahren gegen damalige Kollaborateure statt. Gemeinsam mit dem Denkmal in Babyn Yar, das die sowjetischen Bürger*innen ehrte, kann dies als Geburtsstunde des Narrativs gesehen werden, das Vladimir Putin wiederholt als offizielle Begründung für seinen aktuellen Angriffskrieg bemüht. Laut diesem Narrativ seien Ukrainer*innen Komplizen der Faschisten
        .
  4. Stunde 4: Die Erinnerung an Babyn Yar in Zeiten der ukrainischen Unabhängigkeit

    1. Lernziele

      • Die S*S verstehen die verschiedenen Aspekte der Kontroverse um die Erinnerungskultur an Babyn Yar und kennen die bedeutendsten Denkmäler.
      • Die S*S reflektieren über den Symbolismus der Erinnerungskultur..
    2. Vorbereitung

      • Die Lehrkraft fertigt ausreichende Kopien von Material 7 für die Gruppenarbeit an.
      • Die Lehrkraft hält für sich eine Kopie von Material 8 bereit, um die Kontroverse um die Erinnerungskultur vorstellen zu können.
      • Die Lehrkraft entscheidet sich, in welcher Form sie die Abbildungen (Material 7) für die Ergebnispräsentation der Gruppenarbeit für alle sichtbar machen will. Sofern diese projiziert werden sollen, stellt sie die technischen Voraussetzungen dafür sicher. Sofern sie sie in physischer Form präsentieren will, fertigt sie jeweils gute Farbausdrucke der Fotos an und hält Befestigungsmaterial bereit.
      • Technische Voraussetzungen zur Projektion des Videos (Material 9) sind sichergestellt.
    3. 11 . Einführung

      Dauer 1 min
      • Die Lehrkraft kündigt an, dass dies die letzte Stunde zur Erinnerungskultur ist, die sich nun mit der aktuellen Perspektive befasst.
    4. 12 . Arbeitsphase

      Dauer 19 min
      • Die Lehrkraft teilt die Klasse in sechs Gruppen ein, die jeweils eines der Fotos von Babyn Yar Denkmälern (Material 7) bearbeiten. Jede*r Schüler*in in einer Gruppe bekommt eine Kopie desselben Denkmals.
      • Die S*S setzten sich mit den Arbeitsaufträgen auseinander.
      • Kurz vor Ende der Gruppenarbeit hängt die Lehrkraft Ausdrucke der Bilder für alle sichtbar auf oder projiziert diese.
    5. 13 . Ergebnispräsentation und Vertiefung

      Dauer 20 min
      • Die Gruppen präsentieren ihre Ergebnisse. Ggf. Ergänzt die Lehrkraft wichtige Details und kündigt an, dass sie die Monumente gemeinsam kontextualisieren werden.
      • Nach der Präsentation der Ergebnisse liest die Lehrkraft den Text zur Kontroverse um die Erinnerungskultur (Material 8) vor und zeigt währenddessen auf das jeweilige Denkmal, um das es in dem Text geht.
    6. 14 . Abschluss

      Dauer 5 min
      • Die Lehrkraft fasst zusammen, es sei ein wichtiger Schritt gewesen anzuerkennen, dass das Massaker von Babyn Yar sich nicht nur gegen Jüd*innen richtete. Auch Roma*, Kriegsgefangene und ukrainische Nationalist*innen wurden dort ermordet. Es war ein Genozid und Teil des Holocaust.
        Außerdem wurden nicht nur Opfer dieses Genozids in die Schlucht geworfen, sondern auch Opfer des Holodomor.
      • Die Lehrkraft zeigt das Video (Material 9) und ermutigt die S*S den Symbolismus zu diskutieren.
      • Am Ende der Stunde erinnert die Lehrkraft die S*S das Arbeitsblatt „Was bedeutet Babyn Yar” (Material 1) aus der ersten Stunde zum nächsten Mal wieder mitzubringen.
  5. Stunde 5: Erinnerung an Babyn Yar und der Krieg in der Ukraine. Mit geschlossenen Augen

    1. Lernziele

      • Die S*S reflektieren die Verbindung zwischen Babyn Yar und dem aktuellen Krieg in der Ukraine.
      • Die Unterrichtsstunde hilft den S*S die wichtige Bedeutung des Begriffes Genozid zu verstehen und den direkten Einfluss auf Konflikte und Kriege, um Empathie und das Verständnis dafür zu stärken.
    2. Vorbereitung

      • Die Lehrkraft fertigt ausreichende Kopien von Material 11 an.
      • Die technischen Voraussetzungen für eine Internetrecherche (in der Gruppenarbeit) sind sichergestellt.
      • Die Lehrkraft ruft sich noch einmal die Dynamiken der vorangegangenen Stunde in Erinnerung. Wenn es konfrontative Diskussionen zwischen russischen (oder pro-russischen) S*S und ukrainischen (oder pro-ukrainischen) S*S gab oder traumatisierte ukrainische S*S in der Klasse sind. In diesem Fall können die Diskussionen rund um die Frage, ob Teile des aktuellen Krieges als Genozid betrachten werden sollten, übersprungen werden. Im Zweifelsfall spricht die Lehrkraft im Vorwege mit den entsprechenden S*S.
      • Die Lehrkraft bereitet die Projektion der Abbildung in Material 10 vor.
      • Die Lehrkraft stellt sicher, dass die S*S die Arbeitsblätter aus der ersten Stunde (Material 1) wieder mitbringen.
    3. 15 . Einführung

      Dauer 5 min
      • Die Lehrkraft projiziert die Abbildung des 81. Jahrestages des Massakers von Babyn Yar (Material 10) und bittet die S*S zunächst zu beschreiben, was sie sehen und die Abbildung im Anschluss zu interpretieren und zu diskutieren.
      • Sofern S*S auf ihren Smartphones eine Übersetzungs-App installiert haben, kann die Lehrkraft sie bitten, die Kamerafunktion auszuprobieren, um den Text auf der Abbildung zu verstehen. Dies ist beispiels­weise bei Google Lens möglich.
      • Impulse:
        > Was bedeutet der Text?
        > Was bedeutet die Rakete? Wisst ihr was im Jahr 2022 passiert ist?
      • Die Lehrkraft kündigt an, dass diese Unter­richtsstunde die Verbindungen zwischen dem, was in Babyn Yar geschah und dem im Jahr 2022 wiederaufgeflamm­ten An­griffs­krieg aufzeigen wird.
      • Die Lehrkraft erinnert die S*S an den bereits thematisierten Ursprung des Nazi-Narratives, der bis in die Zeiten des Babyn Yar Massakers zurückreicht.
    4. 16 . Arbeitsphase

      Dauer 20 min
      • Die Lehrkraft ruft die Informationen in Erinnerung, welche die S*S während der ersten Stunde über den Begriff Genozid gesammelt haben und liest die Definition aus dem Glossar (Material 13) vor:
        „Genozid ist ein Akt, der absichtlich durchgeführt wird mit dem Ziel, eine nationale, ethnische oder religiöse Gruppe vollständig oder teilweise zu zerstören, indem den Mitgliedern das Leben genommen oder ihnen ernste körperliche Verletzungen zugefügt werden, Lebensbedingungen für diese Gruppe geschaffen werden, die ihre partielle oder vollständige Zerstörung zum Ziel haben, die Möglichkeit Kinder zu gebären beeinträchtigt oder verhindert wird oder mit Hilfe von Zwang die Kinder von einer Gruppe an eine andere verbracht werden.
      • Die Lehrkraft bittet die S*S zu diskutieren, ob die Tragödie von Babyn Yar ein Genozid war.
      • Hinweis:
        Der nächste Schritt sollte übersprungen werden, wenn pro- oder anti-russische Kontroversen in der Klasse zu erwarten sind. In Bezug auf ukrainische S*S in der Klasse entscheidet die Lehrkraft zuvor, ob dieser Schritt in Ordnung ist oder nicht. Im Zweifelsfall kann die Lehrkraft mit den entsprechenden S*S im Vorwege sprechen und dann entscheiden
        .
      • Die Lehrkraft stellt die Frage, ob der aktuelle Krieg in der Ukraine ebenfalls als Genozid interpretiert werden kann. Wenn die Diskussion emotional wird, dann kann die Lehrkraft wieder zurück zu Babyn Yar führen und dann direkt zum nächsten Schritt dieser Unterrichtsstunde.
      • Erwartungshorizont:
        Die S*S können diesen Slot nutzen, um über den Krieg zu diskutieren. Sie können auch die Chance nutzen, ihre Sorgen zu äußern, indem sie ihre Eindrücke mit dem in den vorangegangenen Unterrichtsstunden Erlernten verbinden.
        Hinweise auf einen Genozid können in den Massenerschießungen in Bucha gesehen werden (auch als “Massaker von Bucha” bekannt); der Kampf um Mariupol war hingegen anders; die Bombardierung von Orten, an denen sich die Zivilgesellschaft versammelt können zwar als Kriegsverbrechen beurteilt werden, sind aber kein Hinweis auf einen Genozid; die Zerstörung von Infrastruktur und das Verminen landwirtschaftlich genutzter Flächen erfüllt die Bedingungen für einen Genozid, wenn damit beabsichtigt wird, Teile der ukrainischen Bevölkerung zu gefährden; sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe ist ebenfalls genozidal; die Deportation von Kindern erinnert darüber hinaus an die Verbrechen der Nationalsozialst*innen. Es ist wichtig zu berücksichtigen, dass die russische Aggression sich gegen Bürger*innen der Ukraine richtet, ganz gleich welcher Ethnizität.
      • Die Diskussion kann beendet werden indem die Lehrkraft betont, dass das endgültige Urteil immer erst im Nachhinein, also nachdem die Konflikte beendet sind, gefällt werden. Im Anschluss an die Diskussion fragt die Lehrkraft die S*S, wie die Beurteilung, ob ein Konflikt oder Krieg als Genozid gewertet werden kann, getroffen wird?
      • Wenn es keine weiteren Anmerkungen hierzu gibt, dann stellt die Lehrkraft das Projekt „Closed Eyes“ (auf Ukrainisch „ЗАКРИТІ ОЧІ“) vor und bittet die S*S Gruppen zu bilden und herauszufinden, worum es bei diesem Projekt geht und einen Fall zu präsentieren. Die Lehrkraft teilt das Arbeitsblatt (Material 11) aus.
       

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    5. 17 . Ergebnispräsentation

      Dauer 5 min
      • Eine Gruppe präsentiert ihre Ergebnisse; die anderen S*S können diese vervollständigen.
      • Im Anschluss präsentieren die anderen Gruppen ihre Fälle.
    6. 18 . Abschluss

      Dauer 15 min
      • Die Lehrkraft informiert die S*S, dass am 1. März 2023 russische Raketen auf das Gebiet des Babyn Yar Erinnerungskomplex abgefeuert wurden. Präsident Zelenski kommentierte den Angriff auf Twitter (heute X) mit den Worten: „Warum wiederholen Sie seit 80 Jahren ‚Nie wieder‘ und wenn Bomben auf Babyn Yar fallen bleibt die Welt still? Fünf weitere Menschen verloren ihr Leben. Die Geschichte wiederholt sich…”
      • Die Lehrkraft bittet die S*S, ihre Meinungen zu diesem Tweed zu äußern.
      • Wenn die Diskussion abkühlt ODER rechtzeitig vor Ende der Unterrichtsstunde bittet die Lehrkraft die S*S einen Blick auf das Arbeitsblatt aus der ersten Stunde (Material 1) werfen und zu prüfen, was sie dazugelernt haben.
      • Am Ende der Stunde gibt die Lehrkraft den S*S die Möglichkeit, ihre Meinungen und Gefühle darüber, was sie gelernt haben, zu äußern.

Sie können auch die gesamte Materialsammlung zusammen mit dem kompletten Text dieser Unterrichtseinheit herunterladen.