Wie funktioniert Antisemitismus?
Mit Zivilcourage gegen antisemitische Vorurteile und Ausgrenzung
Ablaufplan
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Stunde 1: Wie entstehen Vorurteile?
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1 . Einstieg
Dauer 5 min- Die SuS betrachten das Plakat auf der Internetseite der Antidiskriminierungsstelle (Material 1).
- Sie beschreiben zunächst das Plakat und äußern erste Assoziationen.
- Die SuS diskutieren, worum es auf dem Plakat geht und welche Bedeutung die „Schublade“ in diesem Fall hat.
- Die Lehrkraft moderiert das Unterrichtsgespräch.
- Hinweis:
Die Lehrkraft ergänzt die Diskussion durch Informationen, die sie über die Entstehung und Funktion von Vorurteilen und Stereotypen recherchiert hat, z. B. hier: http://www.bpb.de/izpb/9680/was-sind-vorurteile.
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2 . Erste Arbeitsphase
Dauer 5 min- Die SuS sammeln in Einzelarbeit, welche „Schubladen“ ihnen noch einfallen, in die Menschen gesteckt werden.
- Anschließend setzen sie sich zu zweit zusammen und tauschen sich über ihre Ergebnisse aus.
- Sie diskutieren im Team anhand folgender Leitfragen
> Warum stecken wir Menschen in „Schubladen“? Wie kommt es dazu?
> Was hat das mit mir zu tun?
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3 . Präsentation und Ergebnissicherung
Dauer 5 min- Im Plenum stellen einige Teams ihre Ergebnisse vor. Die anderen SuS kommentieren.
- Sie diskutieren im Plenum über folgende Frage:
> Wenn das alle machen und allen das schon mal passiert ist, was ist dann überhaupt das Problem an diesen „Schubladen“? - Die Lehrkraft moderiert.
- Erwartungshorizont:
Lernziel ist hier, ein Problembewusstsein für abwertende und ausgrenzende Vorurteile und Stereoptype zu entwickeln.
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4 . Zweite Arbeitsphase
Dauer 10 min- Die Lehrkraft zeigt den SuS einen Ausschnitt aus dem Film „Die Judenschublade“ (Material 2).
- Die SuS haben die Möglichkeit, Fragen zu stellen und kommentieren den Ausschnitt.
- Die Lehrkraft verteilt Beobachtungsaufträge (Material 3). Jede Schülerin und jeder Schüler wählt einen der beiden Aufträge und bearbeitet diesen.
- Die Lehrkraft zeigt den Film erneut. Die SuS notieren ihre Beobachtungen.
- Anschließend stellen einige SuS ihre Beobachtungen vor und diskutieren sie im Plenum.
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5 . Ergebnissicherung
Dauer 10 min- Die SuS setzen sich zu zweit zusammen und bearbeiten das Arbeitsblatt (Material 4).
- Einige Teams stellen ihre Ergebnisse vor und diskutieren sie im Plenum.
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6 . Vertiefung und Ergebnissicherung
Dauer 10 min- Die Lehrkraft zeigt den SuS einen Ausschnitt aus einer Straßenumfrage zu Jüdinnen und Juden in Deutschland (Material 5).
- Sie moderiert anschließend eine Diskussion zu folgenden Leitfragen:
> Was hat das mit der „Judenschublade“ zu tun?
> Welche „Schubladen“ tauchen hier auf?
> Was ist das Problem mit diesen „Schubladen“? - Erwartungshorizont:
Ziel dieser Diskussion ist es, mit den SuS zu erarbeiten, welche antisemitischen Stereotype und Vorurteile auch in dieser Umfrage auftauchen und wie die „Schubladen“ hier aussehen. Gleichzeitig geht es um eine Auseinandersetzung mit den Folgen für die Betroffenen.
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Stunde 2: Was ist Antisemitismus?
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7 . Einstieg
Dauer 5 min- Die Lehrkraft fragt die SuS, ob sie den Begriff Antisemitismus schon einmal gehört haben und was sie damit verbinden.
- Die SuS sammeln im Plenum ihre Assoziationen zu dem Begriff.
- Hinweis:
Hier kann es sinnvoll sein, einige Beiträge für alle sichtbar an der Tafel oder am Whiteboard zu sammeln.
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8 . Arbeitsphase
Dauer 15 min- Die Lehrkraft schreibt an die Tafel oder ans Whiteboard: „Antisemitismus ist...“ Sie erklärt, dass es im zweiten Schritt darum gehen soll, herauszufinden, was Antisemitismus genau ist.
- Die SuS setzen sich zu zweit zusammen. Jedes Team erhält eine Karte (Material 6). Ggf. werden einige Karten mehrfach vergeben.
- Die SuS lesen ihre Karte. Sie klären schwierige Begriffe und Verständnisfragen.
- Die Teams diskutieren, wie sie ihre Karte verstehen und inwieweit das weiterhilft, zu verstehen, was Antisemitismus ist.
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9 . Präsentation
Dauer 15 min- Die Teams stellen ihre Karten vor und erklären, wie sie die Info auf ihrer Karte verstehen. Idealerweise formulieren sie dazu passend weitere Erklärungen und Beispiele.
- Die anderen Teams ergänzen die Erklärungen und kommentieren sie.
- Die Lehrkraft hängt die Karten dann an die Tafel oder das Whiteboard, sodass alle Karten zusammen mit dem Satz „Antisemitismus ist...“ eine Mindmap bilden.
- Wenn die Mindmap vollständig ist, kann die Lehrkraft mit den SuS weitere Ergänzungen sammeln oder auch mit ihnen darüber sprechen, wie Antisemitismus ihrer Meinung nach funktioniert.
- Hinweis:
Die Lehrkraft sollte wissen, dass Antisemitismus - getarnt als „Israelkritik“ - auf breite Akzeptanz stößt. Hier sollte sie Differenzierungen verdeutlichen und betonen, dass die Gleichsetzung mit einer ablehnenden Haltung gegenüber Juden und Jüdinnen problematisch ist.
Auch ist davon auszugehen, dass die SuS wenig Vorwissen zu Antisemitismus vor der Nazizeit haben. Daher sollte die Lehrkraft über die Entstehung von Antisemitismus informiert sein. Informationen gibt es z.B. hier: http://www.bpb.de/izpb/9714/antisemitismus.
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10 . Vertiefung und Ergebnissicherung
Dauer 10 min- Die Lehrkraft erklärt, dass sie eine Reihe von Aussagen vorlesen wird. Die SuS haben die Aufgabe zu erklären, was die Aussagen mit Antisemitismus zu tun haben.
- Die Lehrkraft liest ausgewählte Sätze von der Fragenliste (Material 7) vor. Sie fragt einzelne SuS nach ihrer Position, was das mit Antisemitismus zu tun hat und einer Begründung, die sich auf die Definitionen in der Mindmap beziehen sollte. Das ist hilfreich, um zu verhindern, dass die SuS „nur“ auf ihr Bauchgefühl oder auch eigene Ressentiments zurückgreifen.
- Die SuS diskutieren ihre unterschiedlichen Standpunkte. Die Lehrkraft moderiert.
- Impulse:
> Welche Aspekte, Zeichen oder Inhalte sind hier antisemitisch?
> Sind diese schwer oder leicht zu erkennen? - Hinweise:
Der Schutz derjenigen, die von Antisemitismus betroffen sind, sollte an erster Stelle stehen. Dies gilt auch, wenn antisemitische Bilder und Stereotype analysiert werden. Wichtig ist, dass auch von Antisemitismus betroffenen SuS sich bei der Analyse von Antisemitismus im Lernraum mit ihren Bedürfnissen berücksichtigt fühlen und nicht das Gefühl haben, dass über ihre eigenen Verletzungen diskutiert wird und diese in Frage gestellt werden. Der Aspekt des Schutzes der Betroffenen sollte immer präsent sein – auch dann, wenn sich gerade keine Betroffenen im jeweiligen Raum befinden oder sie im Raum nicht wahrgenommen werden.
Die Frage, was an einem Zitat antisemitisch ist, eröffnet den Raum dafür, über das antisemitische Argument zu diskutieren, zu fragen, wo Antisemitismus beginnt und was seine Struktur, Funktion und seine grundlegenden Elemente sind.
Die Frage danach, ob diese schwer oder leicht zu erkennen sind, ermöglicht einen offenen Umgang damit, dass Antisemitismus nicht leicht zu erkennen ist und verhindert, dass SuS sich aufgrund der Angst, die eigenen Äußerungen und Annahmen könnten vorschnell als antisemitisch verdächtigt und entlarvt werden, dem Thema verschließen. Dies erleichtert die Beurteilung dessen, was Antisemitismus ist und wie er erkannt werden kann.
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Stunde 3: Was tun gegen Antisemitismus?
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11 . Einstieg
Dauer 2 min- Die Lehrkraft erzählt den SuS von dem Projekt „Zeit für Helden“, in dem verschiedene Diskriminierungsformen nachgestellt und die Reaktion von zufällig vorbeilaufenden Menschen mit versteckter Kamera gefilmt werden. In der Episode, die nun gezeigt wird, geht es darum, wie Menschen darauf reagieren, wenn Jüdinnen oder Juden angegriffen werden.
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12 . Erste Arbeitsphase
Dauer 10 min- Die SuS setzen sich in Kleingruppen (4 SuS pro Gruppe) zusammen. Jede Kleingruppe erhält den Zeitungsartikel (Material 8) und bearbeitet den Arbeitsauftrag.
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13 . Präsentation und Ergebnissicherung
Dauer 8 min- Die SuS fassen die Geschichte in dem Zeitungsartikel (Material 8) zusammen und kommentieren sie. Die Lehrkraft moderiert.
- Impulse:
> Was ist der Frau passiert?
> Was hat das mit Antisemitismus zu tun? Woran macht ihr das fest?
> Wie verhält sich der Taxifahrer? Positioniert er sich offen als Antisemit?
> Was sind die Folgen von diesem Fall? Wie vermutet ihr, wird es hier weitergehen – für die Frau und auch für den Taxifahrer? - Eine der Kleingruppen stellt die Überschriften vor, die sie für die Abschnitte des Zeitungsartikels (Material 8) erarbeitet hat und begründet die Wahl. Die anderen Kleingruppen stellen ihre Titel zur Diskussion, sofern sie darin einen Mehrwert oder eine Alternative für die vorgestellte Überschrift sehen.
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14 . Zweite Erarbeitung
Dauer 15 min- Die Lehrkraft kündigt an, dass sie nun den Videoclip „Taxi zur Synagoge“ des Projekts „Zeit für Helden“ sehen werden, der diesen Fall aufgreift. Sie bittet die SuS, darauf zu achten, ob die Geschichte im Film auch so abläuft, oder ob es Unterschiede gibt.
- Die Lehrkraft erklärt kurz, worum es in dem TV-Projekt „Zeit für Helden“ geht.
- Die SuS schauen das Video (Material 9) an und notieren ihre Beobachtungen in Stichpunkten.
- Anschließend setzen sich die SuS zu zweit zusammen und diskutieren darüber, ob die Situationen im Film dieselben sind, wie im Zeitungsartikel und wodurch sie sich ggf. unterscheiden.
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15 . Präsentation und Ergebnissicherung
Dauer 10 min- Einige Teams stellen ihre Ergebnisse vor, die anderen ergänzen, stellen Nachfragen und kommentieren.
- Anschließend moderiert die Lehrkraft anhand von Leitfragen eine Abschlussdiskussion, in der sich die SuS auf einer Metaebene mit dem TV-Projekt „Zeit für Helden“ auseinandersetzen und das Video in einen Zusammenhang mit dem bisher Erarbeiteten bringen:
- Impulse:
> Was denkt ihr über das Projekt? Was ist eurer Meinung nach die Idee dahinter?
> Fandet ihr die Situationen, die da gezeigt wurden realistisch?
> Habt ihr schon mal etwas Ähnliches gesehen oder erlebt? Ist das auch so abgelaufen oder ganz anders?
> Hätte der Frau in der Geschichte auf diese Weise geholfen werden können?
> Was ist eurer Meinung nach an diesem TV-Projekt sinnvoll und gut? Was seht ihr eher problematisch an der Idee und Umsetzung? - Die Lehrkraft kann bei Bedarf mit den SuS allgemein über Zivilcourage und was damit eigentlich gemeint ist diskutieren.
- Hinweis:
Falls SuS von eigenen Diskriminierungserfahrungen erzählen, achtet die Lehrkraft darauf, dass sie sich nicht rechtfertigen müssen. Diskriminierungserfahrungen können je nach Person sehr tiefreichende Wirkung haben. Außerdem ist es wichtig, keine Hierarchie zwischen unterschiedlichen Diskriminierungserfahrungen aufzustellen. Derartige Erfahrungen besitzen immer verschiedene Dimensionen und Gefahren. Es muss unbedingt darauf geachtet werden, dass die eigenen Erfahrungen und die damit verbundenen Gefühle von den anderen SuS ernst genommen und nicht relativiert werden.
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Sie können auch die gesamte Materialsammlung zusammen mit dem kompletten Text dieser Unterrichtseinheit herunterladen.