Erinnerung an Babyn Yar

Eine Tragödie für die Vielfalt in der Ukraine

Sprache: Deutsch
Von: Prof. Dr. Yurij Shapoval, Yulia Ostropalchenko
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Thema


„Diese Unterrichtseinheit zollt der historischen Erinnerung Tribut und all den Todesopfern von Babyn Yar sowie den Betroffenen dieser furchtbaren Tragödie Respekt.
Babyn Yar… Ort der Unmenschlichkeit… Unser Schmerz. Unsere Erinnerung. Eine der schrecklichsten Seiten in der Chronik des Bösen und des Leids, geschrieben mit menschlichem Blut.“

(die Autor*innen)

 

Babyn Yar ist der Name einer riesigen Schlucht, die sich nicht weit vom Zentrum der ukrainischen Hauptstadt Kiew befindet.

Es gibt ein Denkmal für die Opfer, die 1941-1943 von den deutschen Besatzern getötet wurden – ein wichtiges Symbol für die Tragödie. Babyn Yar kann außerdem als Beginn der Politik des Holocaust durch die Nationalsozialist*innen verstanden werden, da dort am 29. und 30. Sep­tem­ber 1941 das Sonderkommando A4 dreißigtausend Kiewer Jüd*innen erschoss.

Es gibt ein Grab für mehr als hunderttausend Menschen, zu denen Jüd*innen, Roma*, sowjetische Kriegsgefangene, ukrainische Nationalist*innen und Mitglieder anderer nationaler und sozialer Gruppen zählten, die die Besatzer als Feinde betrachteten.

Babyn Yar ist ein schreckliches Symbol des Holocaust auf ukrainischem Boden. Daher spielt es eine große Rolle in der ukrainischen Erinnerungskultur. Hierbei ist die Frage nach historischer Gerechtigkeit zentral, nicht nur für die direkten Opfer und deren Familien, sondern auch für nachfolgende Generationen.

80 Jahre danach, am 1. März 2022, am sechsten Tag der umfassenden Invasion der Russen in das Gebiet der Ukraine wurde das Gebiet von Babyn Yar von einer Rakete der russischen Eindringlinge getroffen.

Diese Unterrichtseinheit stellt Hintergrundinformationen zur Tragödie von Babyn Yar bereit und zeigt auf, wie sie das tägliche Leben der Menschen beeinflusste. Sie liefert auch Einblicke in die Diversität der ukrainischen Gesellschaft.

 

***Diese Unterrichtseinheit steht als pdf-Datei unter einer Creative Commons Lizenz by-nc-nd zur Weitergabe bereit.***

Lehrplanbezug

Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg; Holocaust; Erinnerungskultur.

Erwartete Kompetenzen

Historische Sachkompetenz, narrative Kompetenz, Kontroversität, Orientierungskompetenz, Diversity-Kompetenz, Mehrperspektivität.

Didaktische Perspektive

Diese Unterrichtseinheit richtet sich an Schüler*innen (S*S) außerhalb der Ukraine, wozu ukrai­nische S*S zählen, die gezwungen waren, mit ihren Verwandten während des ukrainisch-russischen Krieges aus der Ukraine zu fliehen sowie nicht-ukrainische S*S.

Die Geschichte des Holocaust und die Tragödie von Babyn Yar sind ein in der Ukraine sowie in der Globalgeschichte und Geschichtsbildung umfassend beforschtes Thema. Die vorlie­gende Unterrichtseinheit beabsichtigt, S*S mit einer der schlimmsten Seiten der Weltgeschich­te, der Tragödie von Babyn Yar während des Zweiten Weltkriegs, vertraut zu machen. Die S*S befassen sich außerdem mit der Erinnerungskultur an die Tragödie von Babyn Yar, die wieder­holt zum Objekt politischer Manipulation gemacht wurde. Eine wichtige Dimension dieser Unterrichtseinheit sind die Ausläufer des Holocaust im Kontext des aktuellen russisch-ukrainischen Kriegs, speziell die Fälle von Massenermordungen der Zivilgesellschaft durch die russische Armee.

In dieser Unterrichtseinheit kommen verschiedene historische Zeugnisse sowie aktuelle Quellen zum Einsatz, die Licht auf die Tragödie selbst und die Erinnerungskultur an diese sowie die Erinnerungspolitik werfen. Es handelt sich um Verflechtungsgeschichte, da der Genozid Teil eines internationalen Krieges war. Auch hatten die Opfer, die von den Nazis in Babyn Yar ermordet wurden, verschiedene Hintergründe und Bezüge zu anderen Teilen der Welt.

Die S*S lernen etwas über historische Hintergründe, Namen und Daten der Tragödie. Mit Hilfe von verschiedenen Quellen lernen sie die Gründe zu bestimmen und den Einfluss der Tragödie auf die Geschichte der Ukraine im Zweiten Weltkrieg und die Zeit danach zu charakterisieren. Auch bekommen sie Einblicke in den Symbolismus der Tragödie für ukrainische Jüd*innen und andere Bevölkerungsgruppen. Die S*S nähern sich Babyn Yar schließlich als einem umfassenden Ort der Erinnerung und lernen verschiedene Arten der Erinnerung und ihre Ausdrucksformen kennen.

Der Inhalt der Unterrichtseinheit kann für gesellschaftlich vielfältige Klassen herausfordern sein, besonders wenn S*S mit Ukraine- und mit Russlandbezug Teil dieser Klassen sind. Daher sollte die Lehrkraft die Stimmung in der Lerngruppe bei Diskussionen während der gesamten fünf Stunden stets im Auge behalten und auch das allgemeine Klima in der Klasse. Wenn die Lehrkraft unsicher ist, beispielsweise wenn nicht klar ist, wie ukrainische S*S oder andere S*S mit Fluchterfahrung auf bestimmte Inhalte reagieren werden, sollte die Lehrkraft die Bedenken mit anderen Lehrer*innen des Vertrauens teilen, die Eltern der betreffenden S*S mit einbeziehen oder die Sorge unter vier Augen mit der*dem betreffenden Schüler*in besprechen, bevor die Unterrichtseinheit begonnen wird. Es ist auch wichtig sicherzustellen, dass kein*e Schüler*in ihre*seine russischen Mitschüler*innen für den russisch-ukrainischen Krieg verantwortlich macht. Denn es kann auch niemand deutsche S*S für die während des Nationalsozialismus verübten Grausamkeiten verantwort­lich machen. Wenn Diskussionen um die allgemeine Verantwortlichkeit der russischen Bevölkerung an dem aktuellen Krieg aufkommen, kann die Lehrkraft diese unterbrechen und aufzeigen, dass dieser Aspekt bezüglich des Nationalsozialismus in Deutschland selbst heute noch beforscht wird. Darüber hinaus kann sie betonen, dass die Frage nicht Teil der Unterrichtseinheit ist und dann die Aufmerksamkeit wieder zum Unterrichtsinhalt und der nächsten Übung lenken.

 

Sie können auch die gesamte Materialsammlung zusammen mit dem kompletten Text dieser Unterrichtseinheit herunterladen.