Chance zur Veränderung?
Geschlechterrollen in der Migration
Sachinformation
Worum geht es?
Migrationsgeschichte als Geschlechtergeschichte zu begreifen führt zu einer besonderen Justierung dieses historiografischen Feldes. So kann im Rahmen einer Analyse, die nach den jeweils anderen Bedingungen von Migration für Männer und Frauen fragt, zum Beispiel in den Blick geraten, dass das Feld der Erwerbsarbeit generell männlich kodiert war und Frauen im Zuge der Erwerbsmigration bis in die 1970er Jahre nur für besondere Tätigkeitsfelder zugelassen wurden (z. B. für Tätigkeiten in der Elektroindustrie). Der sogenannte „Familiennachzug“ in den 1970er Jahren war vor allem ein Wanderungsprozess, der fast immer selbstredend von Männern als den aktiv im Erwerbsleben Handelnden ausging, während Frauen diejenigen waren, die als Teil einer vollständigen, nun zusammengeführten Familie gedacht wurden. Gleichzeitig eröffnete Migration für Männer und Frauen unterschiedliche Handlungsräume. Die Geschlechterverhältnisse in der ‚neuen’ Heimat waren andere als im Herkunftsland und boten insbesondere den Frauen in manchen Fällen neue Möglichkeiten von gesellschaftlicher und auch politischer Teilhabe. Gerade im Zuge des Familiennachzugs gerieten unterschiedliche Geschlechterverhältnisse in Konkurrenz zueinander und mündeten nicht selten in Konflikten, da alte Familienmodelle nicht immer in die Geschlechterstruktur des Migrationslandes passten. Die Anerkennung von Frauen in den Zielländern der Migration wiederum war zudem von geschlechtsspezifischen Gesellschaftsordnungen abhängig. So war etwa Vergewaltigung in der Ehe in der Bundesrepublik bis 1997 kein Straftatbestand und dementsprechend war die Behandlung von sexueller Gewalt als Grund politischer Verfolgung mit besonderen Problemen behaftet.
Welche Materialien werden verwendet?
Um der Komplexität und der Vielfalt des Themenfeldes Rechnung zu tragen, werden in diesem Modul zwei Audio-Geschichten aus dem migration-audio-archiv verwendet und mit Hilfe von Arbeitsblättern (Material 1 und 2) bearbeitet:
1. Mona YAHIA (Schriftstellerin aus Irak, die nach Israel und später nach Deutschland migrierte)
Audiodatei 46 min., eine Transkription des Interviews befindet sich in Sefa Inci Suvak und Justus Herrmann (Hg.). In Deutschland angekommen... Einwanderer erzählen ihre Geschichte 1955 – heute, München: Wissen Media Verlag, 2008, 228–235 (Zusatzinformation für Lehrkräfte)
2. ANNA (Polnische Reinigungskraft, die ca. 40 Jahre alt ist und ihre Rückkehr nach Polen plant)
Audiodatei 30 min., eine Transkription des Interviews befindet sich in Suvak und Herrmann, In Deutschland angekommen..., 298–305 (Zusatzinformation für Lehrkräfte)
Materialien
Material 1: Arbeitsblatt – Biografische Skizzen
Material 2: Arbeitsblatt – Die Geschichte von …
Material 3: Audio-Interview – Mona Yahia
Material 4: Audio-Interview – Anna
Material 5: Arbeitsblatt – Interview mit einer Migrantin
Material 6: Arbeitsblatt – Identifizierendes Erzählen: Ein Tagebucheintrag
Weiterführende Literatur
Suvak, Sefa Inci und Justus Herrmann (Hg.). In Deutschland angekommen... Einwanderer erzählen ihre Geschichte 1955 – heute, München: Wissen Media Verlag, 2008.
Herbert, Ulrich. Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland. Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter, Flüchtlinge, München: C.H. Beck Verlag, 2001.
Grundlagendossier Migration der Bundeszentrale für politische Bildung, hier insbesondere: Carolin Butterwegge. „Politische Migration von Migrantinnen und Migranten”, https://www.bpb.de/gesellschaft/migration/dossier-migration/56334/migration-in-deutschland, zuletzt geprüft am 06. September 2019.
Paulus, Julia, Eva-Maria Silies und Kerstin Wolff (Hg.). Zeitgeschichte als Geschlechtergeschichte: Neue Perspektiven auf die Bundesrepublik, Frankfurt am Main und New York: Campus, 2012.
Sie können auch die gesamte Materialsammlung zusammen mit dem kompletten Text dieser Unterrichtseinheit herunterladen.