Im Islam ist das so - oder etwa nicht?
Das Kopftuch und die Vielfalt religiöser Traditionen
Sachinformation
Worum geht es?
Für viele Schülerinnen und Schüler steht der Islam für einen Glauben mit festen Regeln und Glaubenslehren. Diese Wahrnehmung spiegelt sich auch in der öffentlichen Debatte, in der oft von "dem Islam" als einheitlicher Religion und homogener Glaubensgemeinschaft die Rede ist. Bestärkt wird dieses Bild auch von vielen Muslimen selbst, wenn sie mit Aussagen wie "Im Islam ist das aber so!" den Eindruck vermitteln, der Islam lasse sich auf eindeutige Lehren reduzieren.
In diesem Modul steht daher die gelebte Vielfalt des Islam als Glaube und religiöse Praxis im Mittelpunkt. Am Beispiel der Kleidungsregeln, wie sie von Muslimen in unterschiedlichen Ländern und zu unterschiedlichen Zeiten gelebt werden, wirft das Modul die Frage nach dem Wandel und der Kontextabhängigkeit von religiösen Werten und Normen auf. Dabei eignet sich der Umgang mit dem Kopftuch und die unterschiedlichen Deutung der Kleidungsregeln besonders, um die Veränderbarkeit und die subjektive Wahrnehmung entsprechender Regeln zu verdeutlichen. So tragen nur etwa 20% der Musliminnen in Deutschland ein Kopftuch, auch wenn sich viele der Frauen, die sich gegen das Kopftuch entscheiden, sehr wohl als gläubige Musliminnen bezeichnen würden. Nicht weniger deutlich werden die Unterschiede bei Vergleich der Kleidungsstile, wie sie von Frauen im Iran, in der Türkei oder in Ägypten gewählt werden. Trotz des gemeinsamen Bezugs auf den Islam spiegeln sich hier die unterschiedlichen Interpretationen entsprechender Traditionen. In der Auseinandersetzung mit den Begründungen, die von Musliminnen für ihre Lebensstil angeführt werden, lassen sich die unterschiedlichen Sichtweisen nachvollziehen. Auf der Grundlage einer solchen Auseinandersetzung wirft das Modul zudem die Frage nach dem Verhältnis von Modernität und Religiosität auf. In der Öffentlichkeit findet sich oft die Vorstellung, eine religiöse Lebenspraxis stehe in einem grundsätzlichen Widerspruch zu den Werten und Prinzipien einer modernen Gesellschaft. Am Beispiel von jungen Musliminnen, die sich selbst als modern beschreiben, soll diesem Zusammenhang nachgegangen werden. Dabei werden weitverbreitete Gewissheiten über "die Musliminnen" hinterfragt und mit den subjektiven Wahrnehmungen dieser Frauen konfrontiert.
Warum ist das für Nichtmuslime wichtig?
Das Kopftuch gilt vielen als Symbol für den Islam und für die Werte, die vom Islam propagiert werden. Dabei wird oft verkannt, wie unterschiedlich Muslime selbst mit diesen Traditionen umgehen. Die Auseinandersetzung mit dieser Vielfalt der muslimischen Lebenswelten bietet insofern die Möglichkeit, bestimmte Assoziationen und Stereotype über "unterdrückte Musliminnen" und "patriarchale Strukturen" des Islam zu hinterfragen. Zugleich ermöglicht die Erfahrung einer solchen Vielfalt die Frage nach den Ursprüngen eigener Werte und Normen, die als selbstverständlich verinnerlicht sind. Insofern ist die Begegnung mit muslimischen Positionen zum Kopftuch auch ein Anlass, ähnliche Fragen auch in Bezug auf christliche und andere nicht-religiöse Überzeugungen aufzuwerfen und im Gespräch mit Menschen unterschiedlicher Orientierung und Religionszugehörigkeit zu diskutieren.
Welche Materialien werden verwendet?
Ausgangspunkt des Moduls ist eine Assoziationsübung zu Bildern mit kopftuchtragenden Musliminnen, mit der die unterschiedlichen Vorstellungen und eventuell Stereotypen in der Klasse sichtbar gemacht werden. Über die Lektüre und Diskussion von Hintergrundtexten werden diese Assoziationen schließlich auf ihre Angemessenheit befragt und mit Informationen über theologische Hintergründe und gesellschaftliche Einflussfaktoren kontextualisiert. Eine abschließende Videodokumentation von einer Veranstaltung über junge Musliminnen in Deutschland verbindet diese Informationen mit den Lebenswelten der Jugendlichen und greift dabei Fragen auf, die den Jugendlichen in ihrem Alltag begegnen. Damit werden muslimische Stimmen sichtbar, die in der öffentlichen Debatte ansonsten oft zu kurz kommen.
Materialübersicht
Material 1: Bilder – Gallery-Walk „Kopftücher“
Material 2: Sachtext – Das Kopftuch als Symbol
Material 3: Sachtext – Das Kopftuch in der Diaspora
Material 4: Sachtext – Islamische Kleidungsregeln
Material 5: Arbeitsblatt – „Das Kopftuch? Kopftücher!“
Material 6: Video – Dokumentation „Jung, modern, muslimisch“
Weiterführende Literatur
- Bundeszentrale für politische Bildung (2013): Warum tragen manche muslimische Frauen Kopftuch und manche nicht? Weblog zur Ausstellung „Was glaubst du denn?!“ Muslime in Deutschland.
http://www.wasglaubstdudenn.de/spuren/143260/warum-tragen-manche-muslimische-frauen-kopftuch-und-manche-nicht - Jessen, F./von Wilamowitz-Moellendorff, U. (2006): Das Kopftuch – Entschleierung eines Symbols?, Sankt Augustin/Berlin.
http://www.kas.de/wf/doc/kas_9095-544-1-30.pdf - Karakasoglu, Y. (2005): Frauen mit Kopftuch in Deutschland. In: Bundeszentrale für politische Bildung: Konfliktstoff Kopftuch
http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/konfliktstoff-kopftuch/63273/einstieg-in-die-debatte - Knieps, C. (2005): Schreibt der Koran das Kopftuch vor? Die religiöse Debatte, In: Bundeszentrale für politische Bildung: Konfliktstoff Kopftuch
http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/konfliktstoff-kopftuch/63288/die-religioese-debatte
Sie können auch die gesamte Materialsammlung zusammen mit dem kompletten Text dieser Unterrichtseinheit herunterladen.