Schuld und Verantwortung

Reflexionsmodul zu geschichtskulturellen Debatten zum Thema Holocaust in der postmigrantischen Gesellschaft

Von: Oliver Glatz, Uriel Kashi

Thema

Dieses Modul wurde im Rahmen des Projektes „Geschichten in Bewegung: Erinnerungspraktiken, Geschichtskulturen und Historisches Lernen in der deutschen Migrationsgesellschaft“ entwickelt und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft" und der Bundeszentrale für politische Bildung gefördert.


Im Mittelpunkt dieses Unterrichtsmoduls stehen die Begrif­fe „Schuld” und „Verantwortung” bezüglich der Verbrechen des Nationalsozialismus, insbe­son­dere des Holocausts. Diese werden in der öffentlichen Diskussion und auch von Schüler*innen (S*S) unter­schiedlich gedeutet. Vor allem wird aber S*S mit familiärer Migrationserfahrung mitunter eine Identifikation mit der deutschen Geschichte und der daraus entstehenden Verantwortung abgesprochen.

Dieses Unterrichtsmodul befasst sich mit unterschiedlichen Positionen zu den Fragen Schuld und Verantwortung und ermutigt die S*S, eigene Positionen zu entwickeln. Ziel ist eine Einführung in und eine Reflexion von Geschichtskultur sowie der eigenen Position darin. Das Modul ist als Ergänzung zu einer vorange­gangenen Unterrichtseinheit zum Holocaust zu verstehen.

Lehrplanbezug

Entwicklung von Vergangenheitspolitik in der deutschen Geschichte; Beschäftigung mit Erinnerung und Erinnerungskultur im Nachkriegsdeutschland; Klärung der Begriffe Schuld und Verantwortung im Kontext von Erinnerungskultur; Umgang mit Fragen von Schuld und Verantwortung in der deutschen Gesellschaft nach den NS-Verbrechen; Veränderung des erinnerungspolitischen Diskurses in der Migrationsgesellschaft.

Erwartete Kompetenzen

Historische Orientierungskompetenz: Kennenlernen der Diskurspostionen; Reflexion der eigenen Positionierung; Fähigkeit zur Reflexion vermeitlich dominanter Narrative;  Selbst- und Fremdwahrnehmung im Kommunikationsprozess; Fähigkeit, sich in die Situation und Perspektive anderer zu versetzen (Mehrperspektivität); historische Sachkompetenz:  Auseinandersetzung mit Verschiedenheit und Konflikten sowie Entwicklung einer eigenen Position zu politischen sowie sozialen Sachverhalten; Medienkompetenz: Wiedergabe und kritische Bewertung medialer Inhalte sowie aufgabengemäße Bearbeitung; Analysekom­petenz; Sozialkompetenz; Diversity-Kompetenz: Anerkennung hybrider Identitäten in der postmigrantischen Gesellschaft[1] und Akzeptanz von Verschiedenheit.
 


[1] Nach Naika Foroutan haben postmigrantische Gesellschaften fünf Merkmale: 1. Die politische Anerkennung, eine Einwanderungsgesellschaft zu sein. 2. Es gibt soziale, kulturelle, strukturelle und emotionale Aushandlungprozesse über Rechte, Zugehörigkeit und Teilhabe von Menschen mit und ohne Migrationserfahrung sowie daraus resultierende Gesetze und Gesetzesänderungen. 3. Eine ambivalente Bewertung der Zuwanderung, sowohl Befürwortung als auch Ablehnung. 4. Es gibt in ihnen Verflechtungen von Personen und Organisationen mit und ohne Migrationsbezug. 5. Es lässt sich eine Polarisierung über Fragen der Zugehörigkeit und der nationalen Identität feststellen. Vgl. Naika Foroutan. Die postmigrantische Gesellschaft: Ein Versprechen der pluralen Demokratie. Bielefeld: transcript, 2019.

Didaktische Perspektive

Zu Beginn des Unterrichtsmoduls werden die Begriffe „Schuld” und „Verantwortung” definiert. Die S*S reflektieren ihr Verhältnis zu diesen Konzepten bezüglich der Verbrechen des Natio­nal­sozialismus.

In der zweiten Unterrichtseinheit lernen die S*S, dass es in Deutschland auch jenseits etwaiger „Migrationshintergründe” mehr als eine einzige Positionierung zur Frage von Schuld und Verantwortung für die NS-Verbrechen gibt. Vielmehr zeigt sich in der Debatte ein Spannungsfeld unterschiedlicher Haltungen, die sich oft nicht aus der Herkunft der jeweiligen Sprecher*innen ableiten lassen.

In einer dritten Stunde wird auf die Annahme eingegangen, dass nur diejenigen, die einen familiären Bezug zur Geschichte haben, Empathie entwickeln können und Menschen mit familiärer Migrationserfahrung nicht.

Ein Ziel des Unterrichtsmoduls ist es, die S*S für die unterschiedlichen Positionen im Diskurs um Schuld und Verantwortung zu sensibilisieren und einen Raum für eine gleich­berechtigte Teilhabe unabhängig vom Familienhintergrund zu schaffen. Das Modul erweitert die Perspek­tive des Geschichtsunterrichts, in dem in einer vorangegangenen Unterrichtseinheit etwas über die Ereignisse in der Vergangenheit gelehrt wurde, um eine gegenwarts­bezogene Orien­tierungseinheit, in der die S*S sich mit dem gegenwärtigen Umgang mit der Vergangeheit und der Geschichtskultur auseinandersetzen.

Sie können auch die gesamte Materialsammlung zusammen mit dem kompletten Text dieser Unterrichtseinheit herunterladen.